Komm, dunkle Nacht
aufstöbern und besagtem Herren ein paar Fragen stellen.«
»Tja, natürlich.«
»Wenn Castleton anruft, soll er sich bei mir melden. Er hat meine Handynummer, aber er ist zu vorsichtig für meinen Geschmack. Er würde mich nur im äußersten Notfall mobil anrufen. Dabei ist aus meiner Sicht der äußerste Notfall im Moment ständig gegeben.«
»Alles klar. Niente Problema.«
»Falsch, Probleme en masse. Ich melde mich wieder.«
Er legte auf.
Er hätte sich denken können, dass Margaret Sarah Patricks Partei ergreifen würde. Margaret war eine feurige Feministin, die selbstbewusste, kluge Frauen bewunderte, die das eigene Leben und die eigene Karriere selbst in die Hand nahmen. Aus dem gleichen Grunde hatte Margaret auch Eve Duncan bewundert. Eve war eine bekannte Koryphäe auf dem Gebiet der forensischen Gesichtsrekonstruktion, die sich gegen enorme Widerstände sowohl in ihrem Privatleben als auch beruflich durchgesetzt hatte. Eine außergewöhnliche Frau …
Es waren fast sechs Monate vergangen, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Hatte er den Übergang vom Liebhaber zum Freund, den er Margaret als vollendete Tatsache hingestellt hatte, wirklich geschafft? Er wusste es nicht. Was er für Eve empfunden hatte, hatte er noch für keine andere Frau gefühlt, und während der letzten Monate hatte er sich oft bemüht, diese Gefühle zu analysieren. Respekt, Mitleid, Leidenschaft … Ach, verdammt, vermutlich waren alle diese Gefühle zugleich wirksam gewesen. Jedenfalls hatte sie sich voll und ganz seiner Phantasie bemächtigt, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte.
Nein, er war nicht ehrlich. Er hatte Eve geliebt, denn was war Liebe anderes als eine Mischung aus Respekt, Mitleid, Leidenschaft und hundert anderen Emotionen? Joe Quinn hatte gesagt, Logan habe sie nicht genug geliebt und sie deshalb nicht verdient. Fest stand, dass er sie verloren hatte, vielleicht hatte der Kerl also Recht. Vielleicht war er nicht imstande, sich ganz und gar auf eine Frau einzulassen. Vielleicht konnte man das nur, wenn man noch jung und mutig war.
Jesus, das klang wie aus einer Seifenoper.
Okay, schieben wir die persönlichen Probleme beiseite. Eve würde Joe Quinn heiraten, mit dieser Tatsache hatte er sich schon vor Wochen abgefunden. Jetzt ging es um Bassett und er musste alle Anstrengungen darauf konzentrieren, ihn zu befreien.
Und dafür brauchte er Sarah Patrick.
Er konnte sie zwingen, ihm zu helfen, wie er es beim letzten Mal getan hatte, aber er würde es vorziehen, keinen Zwang auszuüben. Gab es irgendetwas in ihrer Vergangenheit, dessen er sich bedienen konnte, um sie zu manipulieren?
Er hatte Zeit, darüber nachzudenken. Mindestens einen Tag, um sich zu überlegen, was er ihr sagen wollte.
Und die Zeit würde er brauchen, dachte er. Sarah konnte eisenhart sein und Margaret hatte wahrscheinlich Recht. Dieses Mal konnte er sich keineswegs darauf verlassen, dass sie sprang, wenn er pfiff.
Doch worauf konnte er sich überhaupt verlassen? Auch ohne Sarah war die Situation explosiv genug. Seit er Santo Camaro verlassen hatte, war er in Unruhe. Sein Instinkt sagte ihm, dass irgendetwas nicht so war, wie es sein sollte, und er vertraute seinen Instinkten. Aber was war es, das ihn beunruhigte?
Er war voller Zorn und Trauer und unverkennbar tat auch der Adrenalinstoß seine Wirkung, die Lust, sich in den Kampf zu stürzen. Es empfahl sich also, diesen Gefühlen nicht nachzugeben. Er musste mit klarem Kopf Rudzaks Eröffnungszug analysieren. Warum hatte Rudzak Bassett entführt? Um Lösegeld zu erpressen oder um sich zu rächen, das wären die nahe liegendsten Antworten. Nur waren Rudzaks Motive selten leicht zu durchschauen.
Er zog den Skarabäus aus der Tasche, den Rudzak ihm über Castleton geschickt hatte. Mit dem Daumen rieb er die skulptierte Oberfläche. Der Skarabäus stammte aus einer so fern entlegenen Zeit, einer Zeit des Schmerzes und der Qual und des Bedauerns … Rudzak hatte ihm damit eine Botschaft zukommen lassen wollen, aber was hatte diese Botschaft mit Bassett zu tun?
Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. Denk nach, spiel alle Möglichkeiten durch. Füge die Teile des Puzzles zusammen, bevor du Galen anrufst.
Das Heulen hallte durch die Nacht.
Sarah hielt auf dem Gipfel des Hügels inne, nach dem schnellen Lauf bergauf atmete sie schwer.
Noch ein Heulen, kläglicher als das erste.
Ein Wolf, dachte Sarah. Wahrscheinlich einer der mexikanischen grauen Wölfe, die vor kurzem im
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