Komm, dunkle Nacht
zulassen, dass es sie und ihre Lieben traf.
Doch das waren Kinderwünsche. Als Bonnie ermordet worden war, hatte sie gelernt, dass es auf der Welt keine Gerechtigkeit gab. Dass sie sich nur an die Menschen, die sie liebte, klammern konnte, und an die Hoffnung.
Joe parkte neben der Hütte, dann stiegen er und Jane aus dem Wagen. Sie lachten, und plötzlich fühlte Eve sich besser. Sie ging zur Haustür, den Heimkehrern entgegen. Sie würde sich von ihren Einbildungen nicht verunsichern lassen. Bonnie war kein Geist, nur ein Traum. Sie hatte nicht die Macht, Gefahren kommen zu sehen. Sarah war in vollkommener Sicherheit und die Dunkelheit bedrohte weder Eve noch einen der Menschen, die sie liebte.
Trotz der einbrechenden Dunkelheit sah Rudzak den erfreuten, liebevollen Ausdruck in Eve Duncans Gesicht, als sie über die Veranda auf Joe Quinn und das Kind zuging. Dieser Gesichtsausdruck verriet ihm alles, was er zu wissen brauchte.
Demnach war Logans Liebesaffäre mit Eve Duncan Schnee von gestern. Duncan hatte einen neuen Mann und Logan war nicht der Typ, der sich damit begnügte, die zweite Geige zu spielen.
Pech.
Er ließ das Fernglas sinken und wandte sich an Duggan.
»Lassen Sie den Motor an. Wir können umkehren.«
Er lehnte sich in seinem Sitz zurück, während Duggan das Motorboot über den See zurücklenkte.
Dem Dossier über Logan hatten er zwar entnommen, dass dessen Beziehung zu Eve beendet war, aber er hatte es doch für nötig gehalten, sich durch eigenen Augenschein davon zu überzeugen. Es wäre köstlich gewesen, eine von Logan geliebte Frau auszuradieren. Aber dennoch konnte er auf Eve Duncan zurückkommen, wenn sich nichts Besseres fand.
Seine Finger berührten den Kamm aus Elfenbein und Jade, den er heute früh beim Verlassen des Hotels in die Tasche gesteckt hatte. Er hatte gedacht, vielleicht …
Noch nicht, Chen Li.
Er würde froh sein, den Kamm loszuwerden. Er war eins der letzten Geschenke gewesen, die er ihr gemacht hatte, und die Erinnerungen, die sich für ihn damit verbanden, waren schmerzhaft.
»Du solltest mir ein so wunderbares Stück nicht schenken.«
Während Chen Li sprach, strich sie mit dem Zeigefinger behutsam über die vergilbten Elfenbeinzähne des Kamms. »Es ist zu teuer. John sagt nie etwas, aber ich glaube, es ist ihm unangenehm, dass er mir solche Geschenke nicht machen kann.«
»Logan ist nicht so egoistisch. Er gefällt dir doch, der Kamm, oder nicht?«
»Er ist wunderschön.« Widerstrebend reichte sie ihm den Kamm zurück. »Aber Johns Gefühle sind mir wichtiger. Das verstehst du doch, Martin, nicht wahr?«
Rasende Wut durchfuhr ihn. Er wandte sich ab, so dass sie seinen Zorn nicht sehen konnte. »Natürlich verstehe ich das.« Er ging zu dem Schrank, in dem sie ihre Schätze aufbewahrte.
»Aber er gehört dir. Wie wär’s, wenn wir ihn einfach ganz hinten in den Schrank legen und Logan nichts davon sagen? Er wird ihm nicht mal auffallen.«
»Ich denke … ja, das könnten wir machen.«
»Bestimmt.« Er schloss den Schrank und lächelte ihr zu.
»Schließlich will er doch auch, dass du die Dinge hast, die dich glücklich machen.«
»Nicht die Dinge machen mich glücklich, Martin. John macht mich glücklich.«
»Das ist gut. Mehr will ich gar nicht.«
Nur, dass Logan auf der Stelle tot umfällt.
In der folgenden Woche war sie zum Arzt gegangen und es war Leukämie festgestellt worden. Nach all den Jahren war er betrogen worden.
Logan hatte ihn betrogen.
»Werden wir wieder herkommen?«, fragte Duggan.
»Vielleicht. Aber nicht gleich.«
»Wohin gehen wir? Sacramento? Dodsworth?«
»Nur Geduld«, ermahnte ihn Rudzak. Aber Duggan hatte keine Geduld, er war in vieler Hinsicht wie ein Kind.
»Dodsworth?«, insistierte er.
»Letztlich ja. Aber vorher gibt es einiges zu erledigen. Ich habe lange auf Logan gewartet. Ich war immer der Meinung, dass die Vorfreude fast genussreicher ist als die Sache selbst.«
»Für Sie vielleicht«, sagte Duggan verdrossen. »Mir kommt es so vor, als wäre all die Mühe in Phoenix umsonst gewesen.«
Er war wirklich unglaublich schwer von Begriff, dachte Rudzak staunend. Und Dummheit war gefährlich. Rudzak hatte deshalb bereits beschlossen, dass Duggan die Explosion, die auszulösen er so erpicht war, nicht überleben sollte.
Aber einstweilen war Duggans Nützlichkeit noch nicht erschöpft. Es galt also, ihn bei Laune zu halten, sich die Verachtung nicht anmerken zu lassen, die richtigen Knöpfe zu drücken
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