Komm für mich: Erotischer Roman (German Edition)
ist, so ist doch auch der bekleidete Daniel immer noch ein ziemlich scharfer Anblick. Besonders da er für irgendeine festliche Angelegenheit gekleidet zu sein scheint. Er trägt kein Tweedsakko und keine Jeans mehr, sondern einen höchst eleganten dunkelblauen Anzug mit passendem Hemd und Schlips. Sein verwuscheltes schwarzes Haar ist gezähmt, er trägt seine Aktentasche in der Hand und hat einen dunklen Regenmantel über den Arm gelegt. Jetzt verstehe ich auch die Rasieraktion im Keller. Er hat sich dort unten ganz offensichtlich auf irgendeine Veranstaltung vorbereitet, die er direkt nach der Arbeit hier in der Bibliothek besucht – auch wenn der Akt der Selbstbefriedigung ganz sicher nichts mit diesen Vorbereitungen zu tun hatte.
Er scheint auf jemanden zu warten. Und als er mich sieht und seine dunklen Augen auf einmal einen ganz warmen Blick annehmen, folgere ich daraus, dass ich wohl die betreffende Person sein muss. Ich werde knallrot. Er hat mich gesehen! Er wusste, dass ich ihn beobachte! Und doch ist sein Gesicht ganz gefasst, offen und voller Sicherheit. Nichts an seinem Ausdruck scheint darauf hinzudeuten, dass er von meiner Anwesenheit im Keller wusste. Er wirkt völlig unbeeindruckt von allem, was heute passiert ist. Oder auch gestern.
»Hallo, Gwendolynne. Sie sehen sehr hübsch aus. Gefällt mir, wie Sie Ihr Haar heute tragen.«
Komplimente? Höflichkeit? Was ist hier los? Selbst wenn er nicht bemerkt hat, wie ich ihn beobachtete, sollte die absurde, kleine Begegnung von gestern doch wohl ausreichen, um dieses scheinbar beiläufige Zusammentreffen wenigstens ein bisschen peinlich sein zu lassen.
»Danke. Ich dachte, ich probiere mal was Neues aus.« Ich hatte schon fast vergessen, dass ich mich heute Morgen anders frisiert hatte als sonst. Ein weiterer, jämmerlicher Versuch, entweder bei Nemesis oder bei Daniel irgendeinen Eindruck zu hinterlassen. Meine Haare sind zwar immer noch nach hinten gebunden, aber der Zopf sitzt etwas seitlich und auch nicht mehr so stramm wie zuvor. Außerdem wird mein Gesicht von ein paar nach vorne gekämmten Strähnchen eingerahmt. Die Frisur sollte ein bisschen lockerer und sinnlicher wirken, um einen Kontrast zu der sehr nüchternen Kombination von Bluse und Rock zu bilden.
Diesmal werde ich aus einem recht unschuldigen Grund rot. Und zwar aus dem schlichten, weiblichen Vergnügen, auf höfliche Weise bewundert zu werden. Aber die Zeit läuft, und ich merke nach einigen Sekunden, dass ich etwas erwidern muss.
»Sie sehen auch sehr schick aus, Professor Brewster. Gehen Sie aus?«
Sein plötzliches Lächeln ist einfach bildschön und seltsamerweise genauso erregend wie der Anblick seines nackten Körpers. Er berührt immer wieder seine Haare, als wäre er es nicht gewöhnt, dass es so gebändigt ist. Selbst wenn er im Fernsehen auftritt, sieht er normalerweise ziemlich lässig aus.
»Ich halte einen Vortrag bei einem Diner und warte auf mein Taxi.« Er starrt auf die polierten Spitzen seiner Schuhe, und als er wieder aufschaut, bemerke ich noch eine Verwandlung – an seinen Augen.
»Was ist denn mit Ihrer Brille passiert? Brauchen Sie die nicht, wenn Sie nicht arbeiten?«
Ein merkwürdiger, ja fast zorniger Ausdruck huscht über sein Gesicht, und sein Mund verzieht sich etwas. Was habe ich gesagt?
»Die brauche ich mehr oder weniger immer, fürchte ich.« Seine Stimme klingt merkwürdig tonlos. »Aber heute Abend trage ich Kontaktlinsen. Das ist besser fürs Image, verstehen Sie?« Sein gekräuselter Mund wird wieder etwas weicher, und er grinst mich an, als wäre ihm seine Eitelkeit peinlich.
Was zum Teufel würde er nur sagen, wenn er wüsste, dass ich ihn nackt gesehen habe? Jetzt bin ich felsenfest davon überzeugt, dass er keine Ahnung davon hat, dass er beobachtet wurde.
Sein Lächeln wird breiter, und er zuckt mit den Schultern.
»Hören Sie, die Sache in der Mittagspause gestern tut mir leid. Ich war schroff und viel zu zimperlich. Dabei hatte ich gar keinen Grund, böse auf Sie zu sein.« Seine Stimme wird zu einem leisen Flüstern und bekommt etwas sehr Aufregendes. All die Nerven, die ich durch meine Session auf der Toilette gerade beruhigt hatte, drohen wieder mit mir durchzugehen. »Das war ein hinreißender Kuss. Ich hab ihn wirklich genossen.«
Seine Augen glitzern hinter den unsichtbaren Linsen.
»Ich auch«, ist alles, was ich erwidern kann.
Sein Blick ist so intensiv und so angefüllt mit geheimnisvollen Botschaften, dass mir fast
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