Komm mit mir nach Caracas
den Verstand verloren, als sie sich bereit erklärt hatte, Raul zu heiraten?
Die halbe Nacht hatte sie sich unruhig hin-und hergewälzt und sich den Kopf darüber zerbrochen. Geistesabwesend rieb sie sich den schmerzenden Nacken. Sie war verspannt und fühlte sich unförmig. Sie tat sich selbst Leid und war den Tränen nahe, denn sie hatte das Gefühl, den größten Fehler ihres Lebens zu begehen.
Doch auf diese Weise würde das Baby Vater und Mutter haben, und das war ihr sehr wichtig. Allerdings hatte Raul unmissverständlich klargestellt, dass er sie nicht heiraten wollte. Aber sie hatte keine Alternative.
Polly streckte sich und massierte sich den schmerzenden Rücken. In dem Moment kam Raul herein.
„Dios ... Bringen wir es so schnell wie möglich hinter uns", sagte er ungeduldig, während er ihre Hand nahm, um ihr vom Sofa aufzuhelfen.
Dreißig Sekunden später betrat Rod Bevan in Begleitung zweier Männer das Zimmer. Einer war der Standesbeamte, den anderen stellte Raul als seinen Anwalt Digby Carson vor. Die Trauzeremonie war sehr kurz. Anschließend schüttelten sich alle die Hände, und alle lächelten - außer Raul, der sehr kühl wirkte.
Während Polly krampfhaft versuchte, mit den anderen Konversation zu machen, verspürte sie plötzlich einen stechenden Schmerz im Unterleib und stöhnte auf.
„Was ist los?" Raul sah sie besorgt an.
„Das Kaffeetrinken müssen wir wohl ausfallen lassen", meinte Rod Bevan und lächelte zerknirscht, während er die beiden anderen Männer aus dem Zimmer führte.
Unterdessen hob Raul Polly hoch und legte sie vorsichtig aufs Bett. Nun wirkte er nicht mehr kühl, sondern besorgt. „Das Baby kommt erst in zwei Wochen", erklärte er.
„Babys halten sich nicht an Termine. Ich würde sagen, dieses hier hat einen Sinn für gutes Timing", verkündete Rod fröhlich.
„Ich bleibe bei dir, Polly", versprach Raul.
„Nein, das wirst du nicht!" rief Polly.
„Ich möchte bei der Geburt meines Babys dabei sein", beharrte er.
Benommen schüttelte sie den Kopf, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, eine so intime Situation mit einem Mann zu erleben, mit dem sie noch nicht einmal ein Schlafzimmer geteilt hatte.
Der Arzt läutete nach der Schwester und sagte dabei etwas auf Spanisch zu Raul.
Dessen Antwort fiel leise, aber schroff aus. Dann verließ Raul das Zimmer.
„Er ist wütend!" schluchzte Polly.
„Nein, er ist verletzt." Tröstend tätschelte Rod ihr die Hand. „Für einen so zart besaiteten Mann wie Raul war das ein sehr großzügiges Angebot."
Zärtlich betrachtete Polly ihren neugeborenen Sohn. Er war fantastisch. Er hatte seidiges schwarzes Haar, große dunkle Augen und eine kräftige Stimme. Er erschien ihr so klein, doch die Hebamme hatte gesagt, mit 4500 Gramm sei er ausgesprochen kräftig.
Als die Hebamme den Kleinen ins Bett legte, erschien Raul mit Rod Bevan.
Obwohl Polly wegen der Medikamente noch benommen war, sah sie ihn überrascht an, denn er wirkte ziemlich mitgenommen.
„Was ist los?" erkundigte sie sich besorgt.
Er betrachtete seinen schlafenden Sohn und strich ihm mit zittriger Hand durchs Haar. „Er ist wundervoll!" flüsterte er bewundernd. „Aber er hat keine Ahnung, welcher Gefahr er dich ausgesetzt hat."
„Für Raul ist ein Kaiserschnitt etwas Lebensbedrohliches", erklärte der Arzt auf ihren fragenden Blick hin, bevor er der Schwester aus dem Zimmer folgte.
Eine schwache Röte überzog Rauls Wangen. Stirnrunzelnd betrachtete er Pollys Gesicht und nahm dann ihre Hand. „Warum hast du mich nicht gewarnt? Rod hat mir erzählt, du hättest schon lange gewusst, dass das Baby vermutlich per Kaiserschnitt geholt werden müsste."
„Das ist nichts Ungewöhnliches", brachte Polly hervor. Es fiel ihr schwer, die Augen offen zu halten.
„Mein Sohn ist wunderschön", meinte er leise. „Zumindest etwas haben wir richtig gemacht."
„Unser ... Sohn", murmelte sie.
„Wir werden ihn Rodrigo nennen."
Sie zuckte zusammen.
„Jorge?"
Polly schnitt ein Gesicht.
„Emilio?"
Sie seufzte.
„Luis?"
Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Luis ... Zaforteza." Raul klang nachdenklich.
Dann nickte sie ein.
Lächelnd ließ Polly den Blick durchs Zimmer schweifen. Am nächsten Tag würde sie die Klinik verlassen. Ihr Lächeln verschwand. Raul und sie würden einige Tage in seinem Apartment verbringen und dann nach Venezuela fliegen. Sie zog einen dünnen
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