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Komm mit mir nach Kreta

Komm mit mir nach Kreta

Titel: Komm mit mir nach Kreta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie West
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gekrümmte Hand, die auf der Decke lag, als würde sie nicht zu ihm gehören. Sophie nahm seinen Atem wahr, erkannte Wut und Frustration in dem zischenden Geräusch. Wie schwer musste es für einen so stolzen Mann sein, nicht mehr Herr seiner selbst, sondern hilflos auf andere angewiesen zu sein. Und plötzlich bemerkte Sophie die Gebrechlichkeit in seinem Gesicht. Die Wangen des alten Mannes waren eingesunken, sein Mund verzerrt.
    „Kommst … schadenfroh“, brachte er mühsam hervor. Er war kaum zu verstehen.
    „Nein.“
    „Kommst … wegen meines … Geldes.“
    „Nein!“ In Sophie stieg Ärger auf und verdrängte das Mitgefühl. „Ich war neugierig“, sagte sie.
    „Näher.“
    Sie ging ans Kopfende des Bettes, sah ihrem Großvater ins Gesicht und bemerkte, wie seine Augen fiebrig glänzten. Einen Moment später erkannte sie, dass sie sich geirrt hatte: Tränen schimmerten in seinen Augen. Verwundert blickte Sophie ihn an: der alte Mann weinte.
    „Siehst wie … sie aus … wie Christina.“ Offensichtlich kostete es ihn sehr viel Kraft zu sprechen, was nicht nur an seiner Krankheit liegen mochte.
    Furcht, Groll, Verzweiflung, Trauer. Sophie fühlte alles auf einmal. Und noch etwas. Eine Verbundenheit, die sie sich nicht erklären konnte.
    „Setz dich.“
    Trotz seiner schwachen Stimme war es ein Befehl. Sophie zog den Besucherstuhl ans Bett und setzte sich neben ihren Großvater.

11. KAPITEL
    Die Sonne war am Horizont versunken, und ein flammendes Abendrot erleuchtete den Himmel, als Sophie den Klippenweg entlangging. Tief atmete sie die salzige Luft ein. Der Geruch des Meeres und der Pinien war wohltuend nach der antiseptischen Krankenhausluft.
    Sie brauchte Ruhe, wollte etwas Abstand gewinnen von dem Durcheinander ihrer Gefühle. Sophie hatte ihre Arme fest um sich gelegt, als könnte sie sich selber den Halt geben, den sie suchte. Dieser Tag war wie jeder andere verlaufen. Ein Strandspaziergang am frühen Morgen, dann ein Besuch im Krankenhaus. Vor Elenis Zimmer hatte sie Costas getroffen, eine kurze, betont höfliche Begegnung. Sie sollte eigentlich optimistisch sein. Eleni wirkte mit jedem Tag munterer, sie machte stetig Fortschritte. Auch Sophies Großvater war seit ihrem ersten Besuch zu Kräften gekommen. Und allmählich entwickelte sich zwischen ihnen so etwas wie eine Beziehung. Und dennoch war Sophie heute völlig deprimiert.
    Sie hielt das Gesicht in den Seewind und schloss die Augen. Sofort sah sie im Geiste Costas vor sich. Seine athletische Figur, die dunklen Augen. Obgleich sie versuchten, einander aus dem Weg zu gehen, kam sie nicht von ihm los. Die Gedanken an Costas ließen ihr keine Ruhe, verfolgten sie bis in den Schlaf. Immer wieder erinnerte sich Sophie an seine abweisenden und kränkenden Worte, rief ihren Verstand zur Ordnung, und dennoch sehnte sie sich mit jeder Faser ihres Herzens nach ihm. Er konnte ihr nicht geben, was sie begehrte, und sie konnte sich nicht mit dem Wenigen begnügen, was er ihr anbot.
    Ihm widerstehen zu müssen war fast unerträglich. Besonders, da er sich bemühte, sein verletzendes Verhalten wiedergutzumachen. Nicht nur mit den üblichen Gesten wie einem Strauß schneeweißer Rosen und einer schriftlichen Entschuldigung. Oder mit einer Fahrt durch die ägäische Inselwelt auf seiner Jacht. Nein, was Sophie viel mehr zu schätzen wusste, waren andere Dinge: Nach ihrem ersten Besuch bei ihrem Großvater, als Sophie erschöpft und aufgewühlt aus seinem Zimmer kam, war Costas da gewesen. Groß, ruhig und tröstlich. Er hatte ihren Arm umfasst und sie wortlos weggeführt, in seinem Blick konnte sie Verständnis und Mitgefühl lesen.
    Seitdem wartete er jedes Mal auf sie, wenn sie bei ihrem Großvater war, und diese Unterstützung bedeutete ihr unendlich viel.
    Fest entschlossen, nicht weiter an ihn zu denken, öffnete Sophie die Augen und ging den steilen Pfad zur Bucht hinunter.
    Es wurde Zeit, dass sie nach Hause flog und ihr Leben in Sydney wieder aufnahm. Doch sie konnte sich nicht dazu durchringen, ihre Koffer zu packen. Immer wieder schob sie die Abreise vor sich her, sagte sich, dass Eleni sie noch brauchte. Sophie hatte das kleine Mädchen in ihr Herz geschlossen, und sie wusste, dass auch Eleni sie vermissen würde. Die äußerliche Ähnlichkeit zwischen Sophie und Fotini spielte dabei keine Rolle mehr.
    Abgesehen von ihrer Zuneigung zu Eleni war Sophie auch gespannt, wie sich die Beziehung zu ihrem Großvater entwickeln würde. Aber wenn sie

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