Komm mit mir nach Kreta
seiner Ehe waren weitere Enttäuschungen das Letzte, was er brauchte. Auf eine neue Beziehung konnte er verzichten, besonders mit einer Frau aus der Familie Liakos.
Kopfschüttelnd wandte sich seine Mutter ab und bereitete sich auf den Besuch bei ihrem Enkelkind vor.
Während sie ihre Hände wusch, eine Maske aufsetzte und den Kittel anzog, stand Costas völlig regungslos da und rang innerlich um Fassung.
Seine Mutter hatte Dinge in ihm wachgerufen, an die er sich nicht erinnern wollte. Und sie hatte Hoffnungen geweckt, für die in seinem Leben kein Platz war. Ein Costas Palamidis war immer Herr der Lage und hatte die Dinge im Griff. So funktionierte das. Und jetzt war er aus dem Gleichgewicht geraten. Wie sehr er diese plötzliche Unsicherheit, diese entsetzlichen ungewohnten Gefühle hasste.
Wie er das Abwarten hasste, die Ungewissheit, ob Eleni leben oder sterben würde.
Unzufrieden mit sich selbst, straffte Costas die Schultern. Nein, er durfte sich keine Schwäche erlauben.
Seine Mutter betrat das Krankenzimmer. Aus Sorge, Eleni könnte seine Anspannung spüren, beschloss Costas, erst später zu ihr zu gehen und zunächst den Arzt zu suchen. Die Mediziner hatten sich zu Elenis Heilung zwar vorsichtig optimistisch geäußert, wollten sich aber nicht festlegen, ob sie wieder völlig gesund werden könnte. Diese Unsicher heit war zum Verzweifeln. Vielleicht würde er endlich etwas Konkreteres erfahren.
In diesem Moment hörte er hinter sich die Tür aufgehen, dann Schritte.
Costas konnte nicht anders. Er blieb stehen und drehte sich um.
Mit langsamen Bewegungen nahm Sophie die Maske ab und zog ihren Kittel aus. Aber sosehr sie es auch fürchtete, dieses Zusammentreffen mit Costas war unvermeidlich.
Nein, sie war kein Feigling. Sie würde ihm entgegentreten.
Costas stand eindrucksvoll und unnahbar im Vorraum und sah sie durchdringend an. Nach dem, wie er sie behandelt hatte, sollte sie wütend auf ihn sein. Und sie war wütend. Aber die Sehnsucht nach ihm quälte sie mehr denn je.
Zum ersten Mal seit jener Begegnung waren sie allein. Keine Eleni, kein Arzt, keine Krankenschwester, keine Verwandten. Niemand, der die Spannung zwischen ihnen brechen konnte. Oh ja, die Spannung war da, eine pulsierende Sinnlichkeit, die ihre Haut prickeln ließ und es ihr schwer machte, normal zu atmen.
Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, die außergewöhnliche Macht zu ergründen, die Costas auf sie ausübte. Und der richtige Zeitpunkt dafür würde auch niemals kommen. Sie war keine Masochistin.
Konzentriere dich auf etwas anderes; denk daran, was du dir vorgenommen hast, befahl sich Sophie. In den vergangenen Tagen hatte sie eine Entscheidung getroffen. Aber allein der Gedanke daran machte sie nervös.
„Hallo, Sophie.“
„Costas.“ Sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er sie aus der Ruhe brachte. „Eleni scheint heute Nachmittag munterer zu sein. Sie ist nicht mehr so blass, und sie hat gelacht.“
Er nickte. „Ich wollte mich gerade erkundigen, ob die Ergebnisse der letzten Tests schon da sind.“
Wie gern hätte sie ihm angeboten, ihn zu begleiten, ihn zu unterstützen, falls er schlechte Nachrichten bekam. Aber er hatte ihr ja überdeutlich zu verstehen gegeben, dass er sie nur für eine Nacht wollte und nicht für mehr. Und dennoch musste sie sich eingestehen, dass sie nicht nur wegen Eleni auf Kreta blieb, sondern auch, weil sie in Costas’ Nähe sein wollte. Sophie schüttelte den Kopf über sich. Der Mann hatte Unabhängigkeit in eine Kunstform verwandelt. Und bei all dem, was er darstellte – welches Interesse sollte er auch an einer Frau wie ihr haben?
„Sophie? Wir müssen reden. Ich …“
„Vielleicht kannst du mir helfen“, unterbrach sie ihn schnell. Sophie wollte weder platte Entschuldigungen noch dumme Erklärungen hören. „Ich muss eine von den anderen Privatstationen finden und die Schwestern dazu bringen, mich hineinzulassen.“
„Dein Großvater.“
„Ja.“ Von Costas wusste sie, dass er in diesem Krankenhaus lag. Und die Erfahrungen der letzten Zeit hatten Sophies Einstellung geändert. Durch Eleni, die sich tapfer jeden neuen Tag erkämpfte, war ihr bewusst geworden, dass das Leben zu kostbar war, um es mit Streit und Zwistigkeit zu verschwenden. Sie hatte nicht vor, Petros Liakos zu verzeihen, was er ihrer Mutter angetan hatte. Aber sie konnte nicht so unbarmherzig sein, wie er es gewesen war. Vielleicht wollte er nichts von ihr wissen. Das wäre keine
Weitere Kostenlose Bücher