Komm mit mir nach Kreta
es nicht verdient.
„Hast du verstanden?“, fragte Costas.
„Natürlich!“, entgegnete Sophie ungehalten. „Und was soll ich jetzt tun? Nach Griechenland fliegen und seine Hand halten? Fünfundzwanzig Jahre lang hat er so getan, als würde meine Mutter nicht existieren. Nur weil sie aus Liebe heiraten wollte, statt eine antiquierte arrangierte Ehe einzugehen! Er hat sie völlig aus seinem Leben ausgeschlossen. Es war ihm auch völlig gleichgültig, dass er eine Enkeltochter hat. Aber wahrscheinlich ist er enttäuscht gewesen, denn was zählt schon ein Mädchen? Nicht einmal als seine eigene Tochter im Sterben lag, hat er es für nötig befunden, auch nur ein einziges Mal anzurufen und mit ihr zu sprechen.“ Vor Zorn und Verzweiflung kamen Sophie die Tränen. Sie wandte das Gesicht ab, zog ein Papiertaschentuch aus der Hosentasche und putzte sich die Nase. „Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie viel es meiner Mutter bedeutet hätte, sich mit ihm zu versöhnen?“
„Dein Großvater ist ein Traditionalist“, sagte Costas. „Er hält viel von den alten Sitten: von der absoluten Autorität des Familienoberhauptes, gehorsamen Kindern und den Vorteilen einer Heirat, von der beide Familien profitieren.“
Sophie blickte in sein strenges Gesicht und vermutete, dass er die Dinge ähnlich sah. Costas Palamidis trug seine männliche Autorität mit einer Selbstverständlichkeit vor sich her, die Sophie zugleich ärgerte und verunsicherte. „Hast du auch so in die Familie Liakos eingeheiratet? Die Clans Palamidis und Liakos haben entschieden, dass eine Fusion vorteilhaft ist?“
Zorn loderte in seinen Augen auf, und ihr schauderte bei dem Gedanken daran, zu was Costas Palamidis fähig wäre, wenn sie seinen Unwillen auf sich ziehen würde.
„Beide Familien haben der Ehe ihren Segen gegeben“, erwiderte er beherrscht.
Das beantwortete ihre Frage nicht. Aber seine Miene war Antwort genug. Costas Palamidis war ein starker Mann, der seine Gefühle fest im Zaum hielt. Und er würde sich ganz sicher niemals mit etwas begnügen, das er nicht selbst gewählt hatte. Die Vorstellung, dass ein anderer für ihn eine Braut aussuchte, war einfach lachhaft. Natürlich bekam er immer genau das, was er wollte. Sicher ist ihre Cousine Fotini charmant und bildschön gewesen – und vermutlich hingerissen von ihrem ebenso arroganten wie gut aussehenden Ehemann. Zweifellos hatte sie ihm auf den leisesten Wink gehorcht und sich all seinen Wünschen gefügt, wie es eine brave, traditionelle griechische Ehefrau wohl tun sollte.
„Danke, dass du mir das mit meinem Großvater gesagt hast, doch es ist zu spät, Brücken zu bauen“, erklärte Sophie schließlich. „Ich habe niemals zur Familie Liakos gehört, und ich halte es für sinnlos, jetzt so zu tun, als wäre es anders.“ Sie war selbstständig, tüchtig, emanzipiert und brauchte keine Familie in Griechenland. Schließlich hatte sie einen großen Freundeskreis. Ihr Studium war abgeschlossen, und bald würde sie anfangen, als Sprachtherapeutin zu arbeiten. Sie hatte ein Leben, das sie weiterführen konnte.
Und dennoch wollte Sophie in diesem Moment nichts lieber, als sich in Costas’ Arme zu schmiegen, sich die Augen auszuweinen und von ihm trösten zu lassen.
Was war nur los mit ihr?
Diese Schwäche wird vorübergehen, dachte Sophie, während sie sich fest auf die Lippe biss.
„So einfach ist es nicht, sich von seiner Familie loszulö sen“, widersprach Costas.
„Was meinst du damit?“ Sophie blickte ihn an, nahm seine nervöse Spannung wahr und schreckte zurück. Plötzlich wurde ihr wieder bewusst, wie viel größer und stärker er war.
„Mach nicht so ein Gesicht“, stieß er ungeduldig hervor. „Ich beiße nicht.“
Sophie konnte nicht anders: Sofort stellte sie sich vor, wie er seinen Kopf neigen und mit seinem Mund, seinen Lippen langsam ihren Hals liebkosen und zärtlich zubeißen würde.
Woher kamen nur diese absurden Gedanken und Bilder? Ihr Herz schlug schneller, und Sophie wandte sich von Costas ab. Er brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht.
„Sophia …“
„Sophie“, verbesserte sie. Gegen die ursprüngliche Version hatte sie sich gewehrt, sobald sie begriffen hatte, dass der Name zur Welt der weit entfernten Familie gehörte, die ihre Mutter so schlecht behandelt hatte.
„Ich bin nach Sydney gekommen, weil deine Mutter der einzige Mensch zu sein schien, der vielleicht helfen kann.“
„Warum sie?“
„Weil sie eine Verwandte
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