Komm schon
Kleine hatte ganz offensichtlich Angst davor, ihren Vater an eine Wildfremde zu verlieren.
Sophie beugte sich nach vorn, die Hände im Schoß gefaltet. »Lizzie, ich weiß, du kennst mich nicht, daher werde ich dir ein wenig über mich erzählen.«
»Interessiert mich nicht.«
Zu Sophies Verblüffung schnappte Anne entrüstet nach Luft. »Und wenn schon, junge Dame. Du wirst dir gefälligst anhören, was Sophie zu sagen hat. Solange du unter meinem Dach sitzt, gilt auch für dich die Regel, dass Gäste höflich behandelt werden. Hast du verstanden?«
»Jawohl, Großmutter«, murmelte Lizzie.
Sophie lächelte, dankbar für Annes Intervention. »Meine Eltern sind nicht wie die deinen geschieden, sie sind gestorben, als ich ein gutes Stück jünger war als du jetzt.«
Sie beobachtete die Kleine scharf und war erleichtert, als Lizzie die Augen niederschlug. Wenigstens schien sie jetzt zuzuhören.
»Ich bin bei meinem Onkel aufgewachsen, der zufällig auch der Agent deines Vaters ist. Glaub mir, ich weiß, was es heißt, sich verlassen zu fühlen und Angst davor zu haben, dass man einen geliebten Menschen verliert.«
Lizzie antwortete nicht, doch ihre Wangen waren feuerrot angelaufen. Schämte sie sich etwa für ihre freche Bemerkung?
Sophie überlegte sorgfältig, was sie als Nächstes sagen sollte. »Ich bin hier als Gast und als eine Freundin deines Vaters, und ich habe nicht die Absicht, ihn dir wegzunehmen. Ich werde auch nicht mit dir um seine Gunst wetteifern. Du stehst für ihn an erster Stelle, und das wird auch immer so bleiben.«
Lizzie schwieg weiterhin, sodass Sophie nicht wusste, ob ihre Worte Wirkung gezeigt hatten oder nicht. Es herrschte Stille, bis Anne ihre Leinenserviette auf den Tisch warf und sich erhob.
»Elizabeth Nash, du tust gerade so, als hätten dir deine Eltern keine Manieren beigebracht«, sagte sie sichtlich verärgert. »Sophie war so nett, dir dein Benehmen nachzusehen, und sie hat sogar versucht, dir deine Unsicherheit zu nehmen, also wirst du jetzt gefälligst ihre Frage von vorhin beantworten. Und zwar freundlich «, fügte sie hinzu.
Sophie, die die Unterstützung sehr zu schätzen wusste, formte mit den Lippen ein stummes »Danke« in Richtung Anne, worauf sich diese lächelnd zurücklehnte.
Doch Lizzies Eigensinn stand dem ihres Vaters in nichts nach. »Sie ist nicht meine Mutter, und ich sehe nicht ein, warum ich mit ihr reden soll.«
»Das wirst du aber, weil dein Vater es dir befiehlt«, donnerte Riley. Sophie fuhr herum.
Breitschultrig stand er in der Tür zum Speisezimmer, die Ärmel seines braunen Hemdes halb hochgekrempelt, die muskulösen Arme entschlossen vor der Brust verschränkt. Sophie konnte den Blick nicht von ihm abwenden, obwohl sie ihn doch erst letzte Nacht gesehen hatte.
»Aber...«
»Kein Aber.« Er trat ein, blieb bei Sophie stehen und küsste sie demonstrativ auf die Wange, als wäre es das Normalste der Welt. Sophie war von allen Anwesenden am allermeisten verblüfft. Ihr Herz hüpfte angesichts dieser offenen, eindeutigen und höchst unerwarteten Geste.
Während sie noch um Fassung rang, holte sich Riley seelenruhig eine Tasse Kaffee und setzte sich an den Tisch.
»Tja, Elizabeth«, sagte er in die Stille hinein. »Du kannst Sophies Frage beantworten, wie deine Großmutter es angeregt hat, oder dich bei Sophie für dein Benehmen entschuldigen. Ganz wie du willst.«
Lizzie funkelte ihn mit Tränen in den Augen an. »Früher warst du nie so gemein zu mir. Du warst immer auf meiner Seite. Aber ich weiß ganz genau, warum du plötzlich so böse zu mir bist: Damit ich nicht mehr so oft zu dir komme und du mehr Zeit hast für sie!« Sie zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf Sophie. »Mom sagt, ich soll akzeptieren, dass du jemanden kennengelernt hast«, fuhr sie fort. Ihre Stimme troff vor Abscheu und Eifersucht.
»Und warum tust du es nicht?«, wollte Riley wissen.
»Weil ich dich nicht verlieren will.« Zwei dicke Tränen kullerten ihr über die Wangen. Riley seufzte und breitete wortlos die Arme aus, um seine Tochter an sich zu drücken.
Aufgewühlt und den Tränen ebenfalls gefährlich nahe verfolgte Sophie die herzzerreißende Szene und schob dann vorsichtig den Stuhl zurück, um unbemerkt hinauszuhuschen. Sie konnte Lizzies Ängste nur zu gut nachvollziehen. Die Kleine war erst dreizehn, ein Kind noch, da konnte man beim besten Willen nicht von ihr erwarten, dass sie in der Lage war, auf die Gefühle anderer Menschen Rücksicht zu
Weitere Kostenlose Bücher