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Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)

Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)

Titel: Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paddy Richardson
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reagieren würde angesichts eines angeschossenen, verblutenden Tieres. Eines sterbenden Tieres.
    Sie durchwandern die atemberaubend schöne Landschaft und bleiben immer wieder unwillkürlich stehen, um die Aussicht zu genießen. Aus den mit wogendem, goldgelbem Gras bewachsenen Tälern erheben sich schwarz und grau geäderte Felsen, und auf den dahinter gelegenen Berggipfeln schimmert der letzte Schnee. Der Himmel darüber ist von einem ungetrübten Blau. Sie hört die Flügelschläge der Wildtauben hoch am Himmel, die Schreie der Schmuckvögel, das Summen der Bienen. Sie legen Tee- und Mittagspausen ein, essen Brot, Käse und Obst, während er ihr lustige Jagdanekdoten erzählt. Er erklärt ihr die Landschaft, in der sie unterwegs sind, und weist sie auf einzelne Pflanzenarten hin, auf die hellgelben Blüten des Kreuzkrauts, auf den lila-weißen Fingerhut, der am Rande des Buschs wächst der Frühling hier draußen ist sagenhaft. Am Ende des Tages entzünden sie wieder ein Feuer, essen, trinken und reden bis spät in die Nacht.
    Sie gehen vertraut miteinander um. Manchmal laufen sie kilometerweit, ohne ein Wort zu wechseln, ohne dass das Schweigen unangenehm wäre. Sie bemerkt, dass er ihr heimlich Blicke zuwirft. Sie weiß nicht, was er über sie denkt. Nach jenem ersten Abend erzählt er nicht mehr viel von sich und vermeidet jedes persönlichere Gespräch Sie versuchen doch nicht etwa, mich zu analysieren, Doktor Stephanie?
    Während der Wanderung denkt sie über ihn nach. Sie denkt viel zu viel über ihn nach, ist sich seiner Präsenz in ihrem Rücken viel zu sehr bewusst. Er ist offen und geradeheraus, trotzdem hat er etwas Rätselhaftes, Geheimnisvolles. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen. Sie weiß aber auch, dass er nicht der Richtige für sie wäre, er ist ein Jäger und lebt am anderen Ende der Insel. Es würde nicht funktionieren.
    Trotzdem genießt sie seine Anwesenheit, und sie muss sich eingestehen, dass sie sich nie in ihrem Leben wohler gefühlt hat als hier draußen mit Dan. Aber in ein paar Tagen wird alles vorbei sein, woher soll sie außerdem wissen, ob er sie mag oder gar attraktiv findet? Denn von den verstohlenen Blicken und den Neckereien abgesehen, behandelt er sie nicht anders als einen guten Kumpel. Wahrscheinlich sieht sie sogar aus wie ein Kerl mit ihren weiten Shorts und ihrem T-Shirt oder abends, wenn sie am Feuer sitzen, in dem dicken Parka. Was würde sie nicht für eine Dusche geben! Du liebe Güte, vermutlich riecht sie sogar wie ein Kerl. Sie denkt daran, wie sein Gesichtsausdruck sich verändert, wenn er von Kathy spricht, wie seine Stimme lebhafter wird, wenn er Rosie erwähnt. Dabei erwähnt er sie immer nur am Rande. Vielleicht ist er einfach so. Ein bisschen reserviert und verschlossen, wenn es um sein Privatleben geht.
    Was hat sie denn erwartet? Sie kennt ihn kaum. Unwahrscheinlich, dass er ausgerechnet ihr sein Herz ausschütten wird, einer Fremden, die er vermutlich nie wiedersieht. Vielleicht ist er so wie sie und möchte lieber nicht über vergangene Verletzungen sprechen aus Angst, die alten Wunden könnten aufreißen. Wem hat sie je ihr Herz ausgeschüttet, mit wem hat sie über Gemma gesprochen? Über Gemma spricht sie nur, wenn es unumgänglich ist, nur ungern spricht sie ihren Namen aus. Es ist, als hätte sie nie eine Schwester gehabt.
    Es ist zu persönlich.
    Es ist so persönlich, dass allein die Erwähnung ihres Namens eine Woge des Schmerzes über Stephanie zusammenschlagen lässt, so dass ihr die Luft wegbleibt. Sie kann nicht über Gemma sprechen. Mit niemandem.
    Minna hat es oft genug versucht. Ja, das muss Stephanie zugeben – Minna hat versucht, sie zum Reden zu bringen. Vielleicht hat sie den Schmerz hinter der harten Miene gespürt, hinter Stephanies Versuch, sich in der Arbeit zu vergraben, hinter ihrem hektischen Aktionismus, ihrer Weigerung zu weinen.
    Steph, weißt du noch, wie Gemma? Dieses Kleidchen hat Gemma geliebt, nicht wahr, Steph? Steph, weißt du noch, als du und ich und Gemma …
    Gemma wollte. Gemma hat immer. Gemma sagte.
    Weißt du noch weißt du noch weißt du noch?
    Auch darüber spricht sie nie – über Minna. Wie sehr sie sie geliebt und gehasst hat. Gehasst, weil sie sich nicht um Gemma gekümmert hatte, weil sie Stephanie die Verantwortung überlassen hatte und damit auch die Schuldgefühle. Weil sie sie alle im Stich gelassen und Stephanie sie schrecklich vermisst hatte. Weil Liam nachts geweint hatte und sie schließlich

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