Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
aber nicht bis zum Gipfel.«
»Okay, das schaffe ich.«
»Hast du Erfahrung?«
»Vor nicht allzu langer Zeit war ich auf einem Jagdausflug.«
»Irgendwas erlegt?«
»Nein.«
»Ich gehe selbst manchmal auf die Jagd. Vielleicht sollten wir mal zusammen losziehen.«
»Vielleicht.«
»Donnerstags steht Kajakfahren auf dem Programm. Du weißt, wie man mit einem Kajak umgeht?«
»Ich bin hier aufgewachsen, vergiss das nicht.«
»Ja, stimmt. Könntest du am Mittwochmorgen um halb neun hier sein? Wegen der Wanderung.«
Sie erscheint pünktlich, in Shorts, T-Shirt und mit von Esther geliehenen Wanderstiefeln. Er steht draußen vor dem Gebäude, ein Dutzend Kinder wuselt ihm um die Beine. Er ist geschäftig, lässt die Kinder in den Bus einsteigen, überprüft ihre Ausrüstung. Stephanie hält sich zurück und beobachtet, wie er mit den Kleinen umgeht. Er verhält sich absolut professionell, ist freundlich, aber bestimmt, reißt hin und wieder einen Witz. Man kann sofort sehen, dass die Kinder ihn mögen.
Er ruft sie heran und stellt sie den Schülern vor. Wenn sie ihn direkt ansieht, ist sein Blick offen und arglos. Er wendet sich nicht ab, hat nichts zu verbergen. Wäre er in der Lage, sich so unbefangen zu geben, wenn er es getan hätte? Wenn er Gemma verschleppt hätte, müsste er sich nicht durch seine Mimik, durch einen Blick verraten? Hätte sie nicht längst etwas bemerkt?
Er setzt sich ans Steuer des Kleinbusses und bittet sie, vorn neben ihm Platz zu nehmen. Beim Fahren achtet er auf die Straße, schaut regelmäßig in den Rückspiegel, um die Kinder im Blick zu haben. »Ein Großteil der Kinder hat nie etwas Ähnliches gemacht«, erklärt er. »Insbesondere die Asiaten. Die meisten von ihnen haben erst einmal Angst, wenn sie hier ankommen. Sie fragen mich, wo die ganzen anderen Leute sind. In die freie Natur hinauszugehen ist für sie ein großes Wagnis.«
»Ist das die erste Wanderung für diese Gruppe?«
»Nein, wir haben schon ein paar Ausflüge hinter uns. Als ich zum ersten Mal mit ihnen draußen war, haben sie gesagt: ›Wir sollen was tun?‹«
»Und wie finden sie es jetzt?«
»Ein paar von ihnen finden es inzwischen richtig gut. Wenn sie wieder im Unterricht sitzen, schwärmen sie von der frischen Luft und den Vögeln.«
»Habt ihr schon mal draußen übernachtet?«
»Das tun wir nächste Woche, wenn das Wetter mitspielt. Vielleicht möchtest du mitkommen?«
Stephanie fühlt spontanen Ekel. Über Nacht. Mit ihm. Sie sollte ablehnen.
»Ich schlafe nicht gern im Zelt. Ich mag heiße Duschen und weiche Betten.«
»Ein jeder nach seinem Geschmack«, sagt er. Sein Blick ruht auf dem Bus, der vor ihnen fährt.
»Diese Straße bin ich oft entlanggefahren«, sagt Stephanie. »Ganz in der Nähe gibt es eine tolle Badestelle. Früher ist Minna oft mit uns hergekommen, mit mir und den Jungs und Gemma.«
»Ja, hier gibt es viele nette Ecken.« Sein Gesicht ist ausdruckslos.
Sie beobachtet, wie er das Gepäck ausräumt, die Tragegurte am Rucksack eines Mädchens nachstellt. Wie er geht. Geht er zu dicht neben dem Mädchen her? Wenden sich seine Witze und Kommentare an ein bestimmtes Kind? Wird er zu freundlich, zu vertraulich?
Sie kann ihm nichts vorwerfen, in keinerlei Hinsicht. Er ist absolut freundlich, hilfsbereit, unaufdringlich.
Aber diese Kinder sind fast schon groß.
Gemma war vier.
Sie klettern durch die Büsche bergauf. Stephanie spürt, wie ihre Beinmuskulatur sich verhärtet und ihre Atmung mühsamer wird.
Er wirft ihr mit hochgezogenen Augenbrauen einen Blick zu. »Wie geht’s?«
»Prima«, sagt sie energisch.
Weiter oben, als der Weg schmaler wird, ruft er die Gruppe zusammen. Er bringt die Kinder zum Schweigen, redet leise und langsam auf sie ein. »Okay, hört ihr alle zu? Bleibt immer auf dem Weg. Bleibt dicht beisammen und lauft im Gänsemarsch. Im Gänsemarsch? Habt ihr das verstanden?«
Die Kinder nicken. Ein chinesischer Junge übersetzt für seinen Freund.
»Nicht vergessen, Gänsemarsch und immer schön auf dem Weg bleiben. Nach der nächsten Biegung haltet ihr euch links. Da vorn geht es steil runter. Wenn man nicht aufpasst, fällt man in den Abgrund. Okay?«
Sie gehen weiter. Er ist neben ihr. »Achte immer darauf, dass keiner aus der Reihe tanzt. Hier draußen gibt es Stellen, da würde einen keiner jemals wiederfinden, falls man runterfällt.«
Er wirft ihr einen Blick zu.
38.
U nd während sie wandern, rudern, klettern, beobachtet sie ihn. Er geht
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