Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
bedacht mit den Schülern um. Wenn er donnerstags mit den Kindern aus dem Ort am See ist, hält er sich bei den kleinen Mädchen zurück und überlässt es meist den Lehrerinnen, ihnen ins Boot zu helfen oder sie aus dem Wasser zu ziehen, falls sie hineingefallen sind.
Als sie ins Wohnzimmer kommt, hebt Dave den Kopf. »So langsam sollten die dich auf ihre Gehaltsliste setzen, findest du nicht?«
»Die Kinder sind süß. Die Arbeit macht mir Spaß. Ich bin so fit wie seit Jahren nicht.«
»Kommst du gut mit Ed aus?«
»Ed? Ja, warum auch nicht?«
»Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, er ist Single und nicht so viel älter als du, oder?«
»Du meine Güte, Dad!« Sie dreht sich um, schenkt sich ein Glas Wein ein und ist um Fassung bemüht. Denkt er das wirklich?
»Du bist einunddreißig. Ich fände es schön, dich unter der Haube zu sehen. Irgendwann in naher Zukunft möchte ich schließlich Enkelkinder haben.« Er lächelt, klingt jovial.
»Vielleicht möchte ich keine Kinder?« Betretenes Schweigen.
»Was macht deine Forschungsarbeit? Kommst du gut mit dem Schreiben voran?« Esther schaltet sich ein, ihr Lächeln wirkt ein wenig verkrampft. Was denkt sie? Sehnt sie sich danach, endlich wieder ihre Ruhe zu haben? Hat sie die Nase voll von Stephanie, von der Vergangenheit, die Stephanie verkörpert? Kann sie es nicht länger ertragen, Minnas Doppelgängerin im Haus zu haben?
»Stephanie braucht eine Pause. Sie hat sich jahrelang überarbeitet. Du siehst schon viel besser aus, Liebes. Schön, dass du endlich einmal etwas Farbe bekommst. Als Kind wurdest du im Sommer praktisch schwarz, weißt du noch? Du hast Minnas Haut geerbt, nicht meine, zum Glück. Ich werde bloß rot und pelle mich.«
Stephanie wendet sich mit einem möglichst verbindlichen Lächeln an Esther. »Ich bin ein Stück weitergekommen. Allerdings nicht so weit, wie ich sollte. Das gute Wetter und die nette Gesellschaft lenken mich zu sehr ab. Ich sollte bald nach Hause fahren und mich wieder an die Arbeit machen.«
»Du könntest mein Arbeitszimmer haben«, sagt Dave. »Ich räume dir den Schreibtisch frei. Ich brauche ihn sowieso kaum. Du kannst bleiben, solange du willst, nicht wahr, Es?«
»Natürlich«, sagt Esther fröhlich und geht in die Küche.
Sie telefoniert bis in die Nacht mit Dan.
Wann kommst du wieder?
Ihr Urlaub verfliegt nur so. Sie könnte den Rest ihrer freien Zeit damit verbringen, einer Sache nachzujagen, die mit größter Wahrscheinlichkeit ihrer Phantasie entsprungen ist – oder damit, jeden Morgen an Dans Seite aufzuwachen. Strandspaziergänge mit ihm und Rosie zu unternehmen, die salzige Meeresluft zu schmecken, die Abende bei Sonnenuntergang auf der Terrasse zu verbringen. Und die Nächte in Dans Bett.
Sie spürt die Spannung im Haus. Sie bemerkt, dass Esther ihr schiefe Blicke zuwirft, sobald sie sich unbeobachtet fühlt. Möglicherweise spürt sie, dass irgendetwas mit Stephanie nicht stimmt. Sicher möchte sie nicht, dass Stephanie in der Vergangenheit wühlt und Unordnung in ihr geregeltes Leben bringt. Sie hat sich ihr Leben so eingerichtet, wie es ihr gefällt und wie sie es, das muss Stephanie fairerweise zugeben, auch verdient hat. Esther hat so hart gearbeitet dafür, natürlich möchte sie ihre Ruhe haben.
Manchmal ist die Wahrheit einfach zu schmerzlich, Stephanie. Lass Gemma in Frieden ruhen.
Minna ruft immer wieder an. Auf Stephanies Handy und, wenn Stephanie nicht rangeht, auf dem Festnetz. »Was tust du da?«
»Ich besuche Dad und Greg und Esther. Was glaubst du, was ich hier tue?«
»Ach komm, Steph, du warst seit Jahren nicht mehr in Wanaka, und jetzt wohnst du praktisch dort. Was ist los?«
»Gar nichts. Möchtest du mit Greg sprechen?«
»Ja, klar, später. Aber erst sagst du mir, warum du dort bist.«
»Das kann dir egal sein. Jahrelang höre ich kaum von dir, und nun lässt du mich plötzlich nicht mehr in Ruhe?«
»Ich will wissen, was los ist.«
»Nichts. Bleib dran, ich hole Greg.«
Minna. Minna. Im Haus hängen keine Fotos von ihr, auch die Einrichtung ist neu, trotzdem meint Stephanie, die Anwesenheit der Mutter zu spüren und ihre Fragen zu hören was ist los, sag mir die Wahrheit, was tust du dort? Esther ist bei diesen Anrufen unwohl, mit besorgtem Blick gibt sie den Hörer an Stephanie weiter und schaut verständnislos, wenn Stephanie den Kopf schüttelt.
Sie hört das Geflüster hinter der Küchentür sonst ruft sie nie hier
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