Komm, trau dich
ein wenig beiseite. Die Wartenden im nächsten Stockwerk ließen ein enttäuschtes Stöhnen vernehmen, als sie sahen, dass kein Platz mehr war. Die Fahrt ging weiter.
Wie in einer Sardinenbüchse zusammengedrängt, starrten alle stumm und unbehaglich vor sich hin. Und wie immer hatte Lee das Bedürfnis, etwas Lautes in die Stille hineinzusagen. Sie unterdrückte es mühsam, aber dann kam ihr eine andere Idee.
Nein, das konnte sie nicht tun!
Trevor würde durchdrehen.
Außerdem war sie dazu nicht mutig genug. Oder doch? Lee lächelte.
Warum eigentlich nicht? Trevor konnte ihr nicht entwischen. Die nächsten Stockwerke hielt der Aufzug nicht wieder an, und sie würden ohne Unterbrechung bis zum Erdgeschoss fahren. Die Fahrt würde etwa eine Minute dauern. Gerade genug Zeit, um ihn ein bisschen anzuturnen. Würde sie wirklich den Mut aufbringen, es zu tun?
Vorsichtig bewegte sie sich und langte mit der Hand nach hinten, bis sie seinen Hosenbund fand. Dann schloss sie die Augen und wagte den Sprung ins kalte Wasser. Ganz langsam schlüpfte sie mit der Hand immer tiefer. Da, sie spürte ihn. Ihre Hand lag direkt zwischen seinen Schenkeln.
„Was machst du denn da?" flüsterte er heftig.
„Ich nehme die Angelegenheit sozusagen selbst in die Hand", flüsterte sie zurück und bewegte nicht den Kopf, damit niemand sich umdrehte und sie womöglich dabei ertappte, wie sie gewissermaßen die Finger in der Keksdose hatte.
„Hör auf."
„Niemals", murmelte sie und wurde immer wagemutiger, je mehr er unter ihrer Hand anwuchs.
„Lee!"
„Irgendeiner muss den Stier schließlich bei den Hörnern packen", sagte sie leise und unterdrückte ein Lachen.
„Du machst einen großen Fehler, Lee."
„Ich glaube nicht. Und mir scheint, es stört dich auch nicht so sehr.
Ich bemerke eine gewisse ... Begeisterung, wenn ich mich nicht vollkommen irre."
„Doch, das tust du."
Sie konnte nicht anders, sie musste lachen. Unterbrach sich aber sofort, als die Frau vor ihr sich kurz umdrehte. Stattdessen fing sie an, sich auf das zu konzentrieren, was sie unter ihren Fingern fühlte. Ihr war schwindlig, so schockiert war sie über ihre eigene Tollkühnheit.
Wenn das hier ihrer neuen Beziehung nicht auf die Sprünge half, was dann? Und sie brauchte Trevor jetzt nicht einmal ins Gesicht zu sehen.
Zumindest nicht vor dem Ende der Fahrt, und dann würde er wenigstens wissen, dass sie keine Witze machte, wenn sie von Sex sprach.
Sie wünschte nur, seine Hose wäre nicht so dick. Sie hätte gern mehr Einzelheiten erfahren. Aber auch so spürte sie schon genug. Das Altweibermärchen, dass die Schuhgröße einen Hinweis auf die Dimension gewisser Körperteile gab, schien der Wahrheit zu entsprechen.
Der Aufzug wurde langsamer, die Tür öffnete sich. Die Menge setzte sich sofort in Bewegung, aber Lee rührte sich nicht. Ihre Hand lag noch immer auf ihm. Sie wollte warten bis zur letztmöglichen Sekunde, bevor sie losließ. Himmel, sie konnte es einfach nicht glauben! Es war etwas, das Susan vielleicht tun würde, aber doch nicht sie, Lee. Sie wünschte nur, sie könnte Trevors Gesicht sehen.
Dieser Wunsch wurde ihr erfüllt.
Trevors Gesicht, vielmehr sein ganzer Körper, erschien vor ihr. Was vollkommen unmöglich war. Denn sie umfasste doch ...
Trevor verließ den Aufzug und lächelte Lee breit zu. Er genoss es sehr, dass ihr fast die Augen aus dem Kopf fielen. Eine tiefe Röte überzog zuerst ihren Hals und dann das ganze Gesicht bis an die Haarwurzeln.
Der Mann hinter ihr schien ebenso verlegen zu sein, was unter den Umständen nur allzu begreiflich war. Lee rührte sich noch nicht. Auch der Mann, den Trevor auf etwa sechzig schätzte, blieb starr stehen.
Trevor hörte Lee aufstöhnen. Die Tür schloss sich, aber nicht bevor er Lee und ihrem neuen Freund liebenswürdig zugewinkt hatte.
5. KAPITEL
Lee wünschte, sie hätte in diesem Moment ein
Erschießungskommando unter ihrem Befehl. Voller Wut ballte sie die Fäuste. Ein ersticktes Stöhnen hinter ihr erinnerte sie daran, dass sie immer noch nicht losgelassen hatte. Sie gab den armen Mann frei und sprang auf die andere Seite des Aufzugs. Wenn sich doch nur die Erde unter ihren Füßen auftäte! Der Tod wäre im Augenblick eine Erlösung für sie. Stattdessen zwang sie sich, den Mann, den sie gerade so kühn attackiert hatte, anzusehen.
Er war etwa um die Sechzig, mit dichtem weißen Haar, einer Brille und geraden Zähnen. Seine Wangen waren leicht gerötet, aber ansonsten
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