Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
auf den Tisch. »Welche Erfahrungen haben Sie vorzuweisen?«
Francesca dachte rasch nach. »Ich habe ein bißchen Bühnenerfahrung und verstehe eine ganze Menge von Mode.«
»Das ist keine Qualifikation für eine Arbeit im Rundfunk, oder? Nicht mal für diese beschissene Bruchbude hier.«
Francesca holte tief Luft, sie war bereit, ins kalte Wasser zu springen. »Das ist schon richtig, Miss Padgett, ich habe keine Rundfunkerfahrung. Aber ich kann hart arbeiten und bin bereit zu lernen.« Sie und hart arbeiten? In ihrem ganzen Leben hatte sie das nie getan.
Clare war ohnehin nicht beeindruckt. Sie betrachtete Francesca mit offener Feindseligkeit. »Eine wie Sie hat mich meinen Job bei einem Sender in Chicago gekostet. Ein dummes kleines Ding, das nicht bis drei zählen konnte.« Sie lehnte sich zurück. »Wir nennen Ihresgleichen Twinkies – niedliche kleine Dinger, die absolut nichts vom Rundfunk verstehen, aber eine Karriere ›echt toll‹ finden würden …«
Noch vor einem halben Jahr wäre Francesca beleidigt hinausgerauscht, jetzt verkrallte sie die Hände in ihrem Schoß und hob das Kinn. »Ich mache wirklich alles, Miss Padgett – ich gehe ans Telefon, mache Botengänge …« Wie sollte sie erklären, daß sie nicht primär an einer Karriere im Radio interessiert war. Sie hätte sich schließlich auch um eine Stelle beworben, wenn hier zufällig eine Düngemittelfabrik gestanden hätte.
»Wir könnten hier nur eine Putzfrau und ein Mädchen für alles brauchen.«
»Ich nehme den Job!« O Gott, auch das noch! Putzen.
»Das dürfte wohl nicht das richtige für Sie sein.«
Francesca überhörte den sarkastischen Unterton. »Doch, doch! Ich bin eine erstklassige Putzfrau.«
Clare Padgett schien amüsiert. »Eigentlich suche ich ja eine Mexikanerin dafür. Haben Sie die amerikanische Staatsbürgerschaft?« Francesca schüttelte den Kopf. »Auch keine grüne Karte?«
Wieder schüttelte sie den Kopf. Was das wohl war, eine grüne Karte? »Ich habe nicht einmal einen Paß. Der ist mir vor ein paar Stunden auf der Straße geraubt worden.«
»So ein Pech.« Clare Padgett kostete die Situation offensichtlich aus. Sie spielte Katz und Maus mit Francesca, wollte sich für alle Demütigungen rächen, die ihr selbst angetan worden waren. »Gut, ich stell’ Sie ein. Für fünfundsechzig Dollar die Woche. Jeden zweiten Samstag haben Sie frei. An den anderen Tagen arbeiten Sie morgens früh bis abends spät, die
ganze Sendezeit. Der Lohn wird bar ausgezahlt. Jeden Tag kommen hier ganze Wagenladungen von Mexikanern vorbei. Wenn Sie nicht parieren, fliegen Sie wieder raus.«
Das war ein Hungerlohn. Es war illegale Arbeit, die nur Ausländer machten, die keine andere Wahl hatten. »Okay«, sagte Francesca, weil ihr keine andere Wahl blieb.
Clare Padgett lächelte schadenfroh und brachte Francesca zur Bürovorsteherin zurück. »Frischfleisch, Katie. Drück ihr ’nen Mop in die Hand, und zeig ihr die Toilette.«
Clare verschwand, Katie meinte ganz mitleidig: »Hier ist wochenlang nicht mehr geputzt worden. Es ist einfach furchtbar.«
Francesca schluckte. »Das macht nichts.«
Es machte natürlich doch was. Sie stand in dem kleinen Abstellraum der winzigen Küche und ließ ihren Blick über das Regal mit den Putzmitteln schweifen. Sie hatte nicht die geringste Idee, wie man so etwas anwendete. Bakkarat spielen konnte sie, die Namen der Küchenchefs in den berühmtesten Restaurants der Welt konnte sie aufzählen, aber wie putzte man eine Toilette? Schnell las sie sich die Gebrauchsanweisungen auf den Etiketten durch. Eine halbe Stunde später fand Clare Padgett sie auf den Knien. Sie scheuerte gerade eine grausam verdreckte Toilette mit einem blauen Pulver.
»Wenn du den Fußboden wischst, Francesca, mußt du in die Ecken gehen. Ich hasse schlampige Arbeit.«
Francesca biß die Zähne zusammen und nickte. Ihr wurde schon wieder ganz flau im Magen, als sie die Unterseite der Brille in Angriff nahm. Unvermittelt fiel ihr Hedda ein, ihre alte Haushälterin. Hedda, mit den Stützstrümpfen und dem schlimmen Rücken, die ihr Leben lang auf den Knien herumgerutscht war und Chloe und Francesca den Dreck weggemacht hatte …
Clare nahm einen Zug aus der Zigarette und warf die Kippe neben Francescas Fuß. »Ein bißchen Beeilung, wenn ich
bitten darf! Wir machen den Laden gleich dicht.« Mit einem boshaften Lachen entfernte sie sich.
Kurze Zeit später steckte der Ansager aus dem Studio den Kopf zur Tür herein
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