Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
los sind.«
»Denkste.« Skeet stieß die Tür auf. »Seit du Pro geworden bist, habe ich kein Zimmer mehr mit dir geteilt. Und ich will auch nicht wieder damit anfangen. Du bleibst die halbe Nacht auf, und morgens machst du einen Krach, der Tote zum Leben erweckt.« Er kletterte aus dem Wagen und ging zur Rezeption. Dallie rief er zu: »Und wenn du schon so drauf brennst, diese Miß Fran-sches-kaaa mitzunehmen, dann schlaf gefälligst selber mit ihr!«
Beim Ausladen schimpfte Dallie wütend vor sich hin. Im Motelzimmer setzte sich Francesca schüchtern auf den Rand eines der beiden Doppelbetten, wie ein kleines Mädchen, das sich unter Erwachsenen möglichst gut betragen will. Aus dem Nachbarzimmer hörte sie eine Reportage über eine Protestkundgebung von Atomkraftgegnern, dann schaltete jemand auf Baseball um, und die Melodie vom Sternenbanner erklang. Das erinnerte sie an den runden Button auf dem Hemd des Taxifahrers, »Amerika – Land der unbegrenzten Möglichkeiten«. Was für Möglichkeiten? Daß sie für Unterkunft und Verpflegung mit ihrem Körper bezahlen durfte? In einem schmuddeligen Motelzimmer? Nichts ist umsonst, dachte sie bitter. Und sie hatte nur noch ihren Körper. Da sie mit Dallie in dieses Zimmer gegangen war, hatte sie sich doch wohl zu einer Gegenleistung verpflichtet?
»Guck nicht so dumm!« Dallie warf seinen Koffer aufs Bett. »Glauben Sie mir, verehrteste Miss Tussipussy, ich habe es nicht auf Sie abgesehen. – Du bleibst schön da drüben, bleibst mir nach Möglichkeit aus den Augen. Dann kommen wir miteinander klar. Aber jetzt rück erst mal meine fünfzig Eier raus!«
Sie gab ihm das Geld zurück und versuchte ihren verletzten
Stolz mit einer beiläufigen Frage zu überspielen. »Ich nehme an, du bist Golfspieler. Von Beruf oder aus Berufung?«
»Ist wohl eher so was wie ’ne Sucht.« Er zog eine Hose aus dem Koffer und fummelte am Reißverschluß seiner Jeans.
Schnell drehte sie ihm den Rücken zu. »Ich – ich – vertrete mir noch etwas die Beine, ich gehe mal über den Parkplatz.«
»Tu das!«
Zweimal ging sie um den ganzen Parkplatz, las die Aufkleber an den Autos, studierte eingehend die Schlagzeilen und Titelfotos in den Zeitungsständern. Anscheinend wollte Dallie nicht mit ihr ins Bett. Was für ein Glück. Gedankenverloren starrte sie auf das Neonschild mit der Inschrift »Zimmer frei«. Warum wollte er sie denn nicht? Die Frage setzte ihr zu. Auch wenn sie alles verloren hatte, die Schönheit war ihr doch geblieben? Sie hatte doch noch ihre Anziehungskraft. Oder war die mitsamt dem Gepäck und dem ganzen Make-up verschwunden?
Lachhaft! Sie war ganz einfach erschöpft, sonst nichts. Sie konnte nicht mehr klar denken. Sobald Dallie auf den Golfplatz ging, würde sie erst einmal richtig ausschlafen. Ein paar Hoffnungsfunken glommen in ihr auf. Eine Nacht richtig schlafen, dann wäre alles wieder im Lot.
11
Naomi Jaffe Tanaka schlug mit der flachen Hand auf die schwere Glasplatte ihres Schreibtisches. »Nein!« brüllte sie ins Telefon und klapperte vor Erregung mit ihren schönen braunen Augen. »Sie ist weit entfernt von dem, was ich mir unter dem Traumgirl des Jahres vorstelle. Wenn ihr nicht imstande seid, was Besseres aufzutreiben, sehe ich mich nach einer anderen Modellagentur um.«
Die Stimme am anderen Ende der Leitung nahm einen sarkastischen Ton an. »Soll ich dir ein paar Telefonnummern geben, Naomi? Die Leute von ›Wilhelmina‹ haben bestimmt genau das, was du suchst.«
Die Leute von »Wilhelmina« hatten von Naomi bereits die Nase voll, aber das ging die Frau am Telefon natürlich nichts an. Ungeduldig fuhr sich Naomi durch das dunkle Haar, das ihr ein berühmter Figaro in New York ganz kurz geschnitten hatte. Seine Absicht war es, dem Wort »chic« eine ganz neue Dimension zu verleihen. »Sucht weiter!« Sie fegte die letzte Nummer des Advertising Age vom Schreibtisch. »Und nächstes Mal bemüht euch um ein Modell, das ein bißchen Persönlichkeit ausstrahlt!«
Sie legte den Hörer auf. Sie hörte den Feueralarm, der acht Stockwerke unter ihr aufheulte und sich über die ganze Third Avenue ausbreitete, nahm aber weiter keine Notiz davon. Von Kindheit an kannte sie die Geräusche von New York City und hatte seit letztem Winter keine Feuersirene bewußt wahrgenommen. Da hatten nämlich zwei schwule Ballettänzer aus dem New-York-City-Ensemble mit ihrem Fonduegerät die Vorhänge in Brand gesetzt. Die beiden hatten das Apartment über ihnen.
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