Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
i fehlte noch, Naomi hatte das SASSY-Girl noch nicht gefunden. Die Sprechanlage summte. Ihre Sekretärin erinnerte sie an ihre Sitzung mit Harry R. Rodenbaugh, dem ersten Vizepräsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden von BS & R. Mr. Rodenbaugh wünschte
ausdrücklich das neue SASSY-Layout zu sehen. Seit Jahren hatte sie die Parfüm- und Kosmetikprojekte unter sich, aber noch nie hatte es so viele Schwierigkeiten gegeben. Warum mußte sich Harry Rodenbaugh ausgerechnet auf SASSY stürzen und sein ganz persönliches Steckenpferd daraus machen? Harry, der vor seiner Pensionierung unbedingt noch einen Clio einheimsen wollte, bestand auf einem neuen Gesicht für das neue Produkt; er verlangte ein Modell, das zwar umwerfend, den Lesern der Modezeitschriften aber kein Begriff war.
»Ich will ein Gesicht, das eine Persönlichkeit ausstrahlt, Naomi, kein Milchmädchengesicht.« Das hatte Rodenbaugh vor einer Woche zu ihr gesagt, nachdem er sie zu sich auf seinen dicken, schweren Perserteppich zitiert hatte. »Ich will eine langstielige amerikanische Rose, aber nicht ganz ohne Stacheln. Diese Kampagne hat die typische unbekümmerte Amerikanerin zum Thema. Kommen Sie mir bloß nicht wieder mit diesen abgenutzten Kindergesichtern, die Sie mir in den letzten drei Wochen unterjubeln wollten! Sonst sind Sie in meinen Augen als Vizepräsidentin der Firma einfach untragbar.«
Der alte Gauner!
Naomi sammelte ihre Unterlagen ein, schnell und konzentriert wie alles, was sie anpackte. Morgen würde sie sämtliche Theateragenturen anrufen. Sollte doch eine Schauspielerin das Gewünschte liefern! Schon ganz andere männliche Chauvinisten als Harry R. Rodenbaugh hatten versucht, sie kleinzumachen, jedesmal ohne Erfolg.
Naomi fischte sich im Vorübergehen ein Eilpaket vom Schreibtisch ihrer Sekretärin, dabei fegte sie versehentlich eine Illustrierte hinunter. »Lassen Sie nur, ich heb’s schon wieder auf!« sagte die Sekretärin.
Aber Naomi hielt die Zeitschrift schon in der Hand, ließ ihre geschulten Augen über die erstklassigen Fotos wandern. Sie spürte das berühmte Kribbeln – ein untrügliches Zeichen, daß sie wieder einmal eine großartige Entdeckung gemacht
hatte. Ihr SASSY-Girl! Einmal im Profil, einmal von vorn und einmal halb seitlich – und eine Aufnahme war wunderbarer als die andere. Sie hatte sie gefunden, die schöne amerikanische Rose! Bei ihrer Sekretärin auf dem Fußboden …
Sie überflog den Begleittext. Das Mädchen war kein professionelles Modell, aber das war gar nicht mal schlecht. Mit einem Blick auf die Titelseite sagte sie zur Sekretärin: »Aber das ist ja schon ein halbes Jahr alt!«
»Ich habe gerade meinen Schreibtisch ausgemistet.«
»Na, ist ja egal.« Naomi schlug wieder die Seite mit den Fotos auf und tippte drauf. »Telefonieren Sie mal ein bißchen herum und versuchen Sie, das Mädchen ausfindig zu machen! Noch keinen Vertrag abschließen; Sie sollen sie nur finden.«
Doch nach der Besprechung mit Harry Rodenbaugh hatte die Sekretärin noch nichts erreicht. »Sie ist spurlos verschwunden, Mrs. Tanaka. Keiner weiß, wo sie ist.«
»Wir werden sie schon finden«, sagte Naomi. Ihr Hirn arbeitete fieberhaft, sie überflog im Geist die lange Liste ihrer Geschäftskontakte. Ein kurzer Blick auf ihre Rolex, und sie hatte den richtigen Zeitunterschied im Kopf. Sie schnappte sich die Illustrierte und ging in ihr Zimmer. Dort griff sie gleich zum Hörer. ›Ich finde dich‹, sagte sie in Gedanken zu dem schönen Mädchen auf den Fotos. ›Ganz bestimmt finde ich dich, und dann verändert sich dein Leben schlagartig!‹
Die schielende Katze verfolgte Francesca bis zum Motel. Das stumpfe Fell war voll kahler Stellen, Spuren vergangener Kämpfe. Das Gesicht war eingedrückt, ein Auge verformt, nur das Weiße darin war zu sehen. Und zu allem Überfluß fehlte auch ein Stückchen vom rechten Ohr. Hätte sich das Tier nicht jemand anderen aussuchen können? Warum lief es ausgerechnet hinter ihr her? Francesca ging etwas schneller. Sie fühlte sich irritiert durch die kompromißlose Häßlichkeit dieser Katze. Irgendwie hatte sie Angst, das Häßliche könnte auf sie abfärben.
Andere beurteilen dich nach der Gesellschaft, in der sie dich finden …
»Hau ab!« befahl sie.
Das Tier blickte sie ein bißchen böse an, wich aber keinen Schritt zurück. Francesca seufzte. Bei ihrem Glück durfte sie wohl nichts anderes erwarten …
Sie hatte den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht
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