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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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voller Erwartungen und energiegeladen ist, als Annie die Tür öffnet. So ein Licht hat sie noch nie gesehen. Nie so silberweiße Wolken. Treibholz am Himmel. Ihre Augen tränen vom bitterkalten Wind, und dann ist der See, die ganze Idylle verzerrt, als sähe sie durch ein Fischaugenobjektiv. Sie blinzelt Tränen weg. Die frostige Luft summt wie ein Es. So fühlt es sich vermutlich an, bevor es schneit.
    Sie reißt die klemmende Tür des Land Cruisers auf und spürt das kalte Metall durch die Handschuhe. Mrs Lanie winkt von ihrem Küchenfenster, das jetzt von bunten Lichtern eingerahmt ist. Das erinnert Annie daran, dass in wenigen Tagen Weihnachten ist. Rasch fällt der Vorhang, und Annie weiß, dass gleich ihre Haustür aufgeht.
    »Annie?« Mrs Lanie taucht auf ihrer Veranda zwischen den aus Flaschenkürbissen gebastelten Vogelhäuschen auf. Der Kranz an ihrer Tür flattert im Wind. Sie wickelt sich die weiße Strickjacke fester um die Brust. »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken. Ich war heute Morgen in der Scheune und habe ein paar reingeholt. Es ist eine wunderbare Ernte. Obwohl sie so früh reif sind.« Der Wind trägt ihre Worte davon.
    »Ich bemühe mich, bald zurückzukommen und den Rest reinzubringen.«
    »Wollen Sie jetzt Calder besuchen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie ihn schon besucht?«
    »Nein. Noch nicht.«
    »Aber doch nicht etwa, weil Sie die Tangelos geerntet haben?«
    »Nein. Natürlich nicht.«
    »Also?«
    »Gehen Sie wieder rein. Sie holen sich hier draußen eine Lungenentzündung.«
    »Davor habe ich keine Angst.«
    Annie schüttelt den Kopf.
    »Unfassbar, dass er immer noch da drin sitzt.« Mrs Lanie kommt mehrere Stufen herunter, ohne sich am Geländer festzuhalten. »Das ist alles Quatsch«, sagt sie. »Das müssen die doch wissen.«
    Seit Owen weg ist, hat Mrs Lanie Marmelade, Körbe voll Mais und frischen Beeren und festes, selbst gebackenes Brot vor Annies Haustür gestellt. Diese stillen, aufmerksamen Gesten halten Annie davon ab, Mrs Lanie zu erzählen, wie unbehaglich sie sich bezüglich ihres Bruders fühlt, und sie sagt: »Bald ist das alles vorbei.«
    Mrs Lanie streicht sich das Haar glatt. Annies ausweichende Antwort scheint sie zu bekümmern.
    »Es tut mir leid. Ich habe es eilig«, sagt Annie. »Die da tun mir auch alle leid.« Sie zeigt auf die Presseleute, die sich anscheinend auf Dauer auf der anderen Seite des Tors versammelt haben.
    »Kümmern Sie sich nicht darum«, mahnt Mrs Lanie und wirft Annie eine Kusshand zu, bevor sie hineingeht und die Tür schließt.
    Annie lässt den Motor an, dreht die Heizung auf und sitzt zitternd im kalten Luftzug. Zum ersten Mal stellt sie sich Calder im Gefängnis vor. Der weiße Betonkomplex, hohe Maschendrahtzäune mit Stacheldrahtverhau, schmutzige Betonfußböden und bewaffnete Wächter auf Türmen, alles schießt ihr durch den Kopf, jedes Klischee, jeder Gefängnisfilm, den sie jemals gesehen hat. Sie erinnert sich, wie sie mit Calder in
Einer flog über das Kuckucksnest
gewesen ist, als sie beide klein waren. In dem Film kam kein Gefängnis vor. Es war eine Anstalt für unzurechnungsfähige Straftäter, aber in ihrer Vorstellung befindet sich Calder in so einer Einrichtung, wandert in einem Saal herum, steigert sich in seine Tics hinein, kommt in eine Zwangsjacke, wenn er nicht damit aufhört. Wie erstarrt und atemlos krallt Annie ihre Hände um das Lenkrad und erinnert sich an etwas anderes in dem Film – wie Calder ihreHand ergreift, zuerst nur die Berührung sucht, aber sie dann fest drückt in den Augenblicken, die darin gipfeln, dass der Indianer den unangepassten McMurphy mit einem Kissen erstickt. Dann
krach!
schleudert der Indianer einen Marmorblock durch ein vergittertes Fenster und flieht in nebelverhangene Berge. Endlich ist er frei, der Soundtrack schwillt an mit einem schaurigen Dulcimer und dem dumpfen Beat von Rohhauttrommeln. Der Film geht zu Ende, aber es dauert noch eine Weile, bis Calder loslässt.
    Sie fährt durch eine Landschaft, die fremd anmutet. Ihre Kiefern, Seen und Haine weichen Golfplätzen, Eigentumswohnanlagen hinter Toren und Shoppingmalls mit lebhaftem Verkehr. Dann kommen die überdimensionalen Reklametafeln mit Werbung für Poker, Linedancing, Bullenreiten, Swimmingpools mit »echten Sandstränden« mitten in Orlando.
Erleben Sie die Karibik in der Sea World
. Die Leute strömen in Sportbars, Andenkenläden und da ist das
Rosie O’Grady
, das schon nachmittags um zwei Uhr attraktiv zu sein

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