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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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Frage. Es klingt tonlos, und Annie weiß nicht, ob das so ist, weil sie den Kopf gesenkt hält oder weil sie eben so spricht. Da ist auch noch der Akzent, die Mühe, die ihranscheinend das R bereitet. Bevor Annie etwas entgegnen kann, sagt Sidsel: »Sie haben mir einen schönen Schrecken eingejagt.« Sie stützt sich immer noch auf ihre Knie und steht am Eingang, das lange blonde Haar verdunkelt ihr Gesicht. Die kalte Luft, feucht und waldig, strömt durch die offene Tür herein.
    Sie sind so still, als ob sie dem Wind lauschen wollen, der die Blätter rascheln lässt.
    »Ich bin zum Blumengießen gekommen«, sagt Annie. »Und um die Post hereinzuholen, aber ich sehe, dass das schon jemand getan hat.«
    »Danke«, sagt Sidsel, als ob Annie ihr einen Gefallen tun würde. Sie richtet sich auf, schüttelt ihr Haar hinter die Schultern und sieht sich im Zimmer um, als wäre sie verwirrt.
    Annie reibt sich die Arme. Sidsel dreht sich endlich um und schließt die Tür. Das bisschen Wärme im Zimmer umhüllt sie allmählich.
    »Ich bin Sidsel. Jørgenson«, fügt sie mit tiefer Stimme hinzu. Es kommt aus dem Rachen, und Annie merkt, dass dies die dänische Aussprache ist. Sie zieht die Jacke aus und legt sie zusammengefaltet über ihr Gepäck neben den Lebensmitteln. Seufzend zieht sie sich die weiße Bluse aus den Jeans wie ein Mann, der nach der Arbeit die Krawatte lockert. Annies Unbehagen wächst. Sidsel wohnt hier nicht. Annie auch nicht.
    Sidsel zieht ihr Gepäck und ihre Einkäufe von der Tür weg, als ob jemand vorbeimüsste. Frische Kräuter hängen oben aus der Tüte. Eine kleine Schachtel, die nach Keksen aussieht und duftet, liegt daneben, vermutlich aus ihrem Café. Annie sieht sich in der Wohnung ihres Bruders um, und obwohl sie seit über zwanzig Minuten hier ist, fühlt sie sich jetzt ohne seine Anwesenheit fremd. Mit Sidsel an seiner Stelle.
    »Es ist toll, Sie endlich kennenzulernen«, sagt Sidsel, die gar nicht mehr tonlos klingt. »Calder hat mich gebeten, Sie anzurufen, und da sind Sie auch schon.« Sie kommt auf sie zu. »Tut mir leid, dass ich so erschrocken war. Meine Nerven«, sagt sie und schlingt die Arme um Annie. Sie ist hochgewachsen und dünn wie Calder,aber sie riecht wie Mrs Lanies Küche. Nach Zucker, Butter und Mehl. Der schwache Geruch, den Annie an der Bettwäsche ihres Bruders wahrgenommen hat.
    Annie will gehen, aber Sidsel hält sie fest. Annie wartet wie ein Kind, das an den Busen einer Tante gedrückt wird, doch entgeht ihr dabei nicht, dass Sidsels Busen klein und fest an ihrer Wange ruht.
    Annie tätschelt sie, spürt die schlanken Muskeln an Sidsels Rücken. Endlich lässt sie los.
    »Sie sind eine wunderbare Sängerin.« Sidsel hat keine Wahl, sie muss beim Sprechen auf Annie herabsehen. »Ihre Stimme ist wie ein kratziges Flüstern. So zart, so groß. Sie erinnert mich an Island.«
    Annie wird rot, verlegen und schließlich verwirrt. Sie weiß überhaupt nichts über Island. Sie weiß überhaupt nichts von Sidsel. »Island?«
    »Die glauben an Elfen.«
    »Ich verstehe.« Aber sie versteht gar nichts.
    »Ihre Stimme hat eine besondere Qualität. Sie hat was. Ich weiß nicht, was es ist, aber es erinnert mich an die Sprache der Elfen.«
    Sie sehen sich im Zimmer um und seufzen gleichzeitig. Darüber müssen sie lächeln. Die Spannung scheint sich zu lockern.
    Sidsel ist umwerfend. Annie glaubt nicht, dass sie je so wunderbare Haut gesehen hat. Sie ist wie die makellose samtige Oberfläche von schönem Eichenholz.
    Sidsel faltet die Hände. Sie sind erstaunlich rau und abgearbeitet. Spülhände, die überhaupt nicht zum restlichen Körper passen. Sie sehen aus wie Annies.
    Sie kratzt sich den einen Handrücken, als sie sagt: »Calder hat vorgeschlagen, dass ich hierbleibe. Allein zu Hause hab ich ein bisschen Angst. Ich fühle mich beobachtet von dem, der das Magnus angetan hat.«
    Die Luft bewegt sich bei der Erwähnung von Magnus. »Mein Beileid«, sagt Annie. Es klingt unangemessen, pflichtgemäß.
    Sidsel nickt und reibt sich die Augen. »Magnus war kein sehr netter Mann«, sagt sie. Annie wartet, dass sie noch mehr sagt. Etwas, dass das bisher Gesagte etwas weniger grob erscheinen lässt, nicht so lächerlich. Aber sie sagt kein Wort, und jetzt kann Annie das verlegene Lächeln in ihrem Gesicht nicht unterdrücken. Es ist aufgesetzt und falsch, und offenbar kann sie nichts dagegen tun.
    »Es tut mir leid.« Sidsel schüttelt schließlich den Kopf über sich selbst und

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