Komm wieder zurück: Roman
verdreht die Augen. »Ich scheine Sachen zu verwechseln. Mein Englisch ist normalerweise sehr gut, aber jetzt haben meine Gedanken wieder auf Dänisch umgeschaltet, und manche Dinge gehen in der Übersetzung verloren.«
Annie kann sich nicht vorstellen, was sie eigentlich sagen wollte. »Keine Sorge«, sagt Annie zu ihr. »Das geht uns allen so. Selbst in unserer eigenen Sprache.«
»Ich glaube, zu Hause habe ich das aber nicht gemacht. Die Leute haben mich nie so angesehen wie hier, mit solch ausdruckslosen Mienen.« Annie will gerade sagen: »Sie sind von Ihrer Schönheit überwältigt, nicht von Ihren Worten«, als Sidsel sagt: »Aber zu Hause hatte ich auch nie einen toten Ehemann.«
Annie hebt langsam den Zeigefinger. »Genau das! Das ist … Ich glaube, das haben Sie nicht so gemeint.«
Sidsel knurrt. »Ich gebs auf.« Sie reibt sich die Arme, als ob sie sich wärmen wollte. »Ich war gerade bei einer Immobilienmaklerin«, sagt sie.
Etwas Kindliches, Unschuldiges blitzt aus ihren Gedankensprüngen auf. Annie kann sich gut vorstellen, dass Calder das entzückend findet, dazu noch den Akzent aus diesem Schmollmund. Sidsel geht durch das Zimmer und schaltet den elektrischen Kaminofen ein. Eine blaue Flamme und dann ein Feuer lodern hinter ihren Beinen auf, während sie sich umdreht und sagt: »Calder meinte, ich soll zu einem Makler gehen und mein Haus verkaufen. Ich will nie wieder dahin zurück. Es hat mir von Anfang an nicht gefallen.«
»Das glaube ich«, sagt Annie. Was hätte sie auch sonst sagen sollen?
»Sie hat mir wirklich sehr geholfen, die Maklerin. Offenbar hat vor einer Weile irgendeine Frau einen Artikel im
Architectural Digest
über den holländischen Architekten geschrieben, der das Haus entworfen hat. Es kommen immer noch Leute vorbei, um es zu sehen. Ich wusste das gar nicht. Ich habe da ja nicht sehr lange gewohnt.«
»Hm.«
»Die Maklerin heftet den Artikel von dieser Frau an die Faltprospekte und verlinkt ihn mit der Website in der Hoffnung, davon ablenken zu können, dass Magnus da gewohnt hat, wissen Sie. Wenn man seinen Namen irgendwo liest und sich alles zusammenreimt, könnte das Haus schwer verkäuflich sein.«
»Haben Sie meinen Bruder besucht?«, fragt Annie.
Sidsel nimmt in einem Sessel Platz. Sie rutscht zurück, schlägt die langen Beine übereinander und streicht mit den Händen am Polster herunter. »Ja«, sagt sie und schaukelt nervös mit dem Fuß. »Beinahe täglich.«
»Wie gehts ihm?« Ohne das Feuer läge das Zimmer jetzt im Dunkeln. Annie schaltet das Licht im Wohnzimmer ein und setzt sich Sidsel gegenüber auf das Sofa. Sie lässt sich langsam in die Daunenkissen sinken. Draußen hat der Wind zugelegt und pfeift am Küchenfenster. Sie muss nach Hause zu Detour.
»Er sagt immer wieder, dass er es nicht getan hat. Als ob ich das je gedacht hätte!« Sidsel wirft einen Blick durch den Flur in Richtung Schlafzimmer. Der Schein der Lampe fällt auf ihr Gesicht. Sie hat leicht geschwollene Augenränder. »Nicht dass ich nicht wüsste, wie sehr er mich liebt. Ich glaube, er würde alles für mich tun, aber das dann wohl doch nicht.«
Eine unerklärliche Eifersucht regt sich in Annies Brust. »Warum hat er Sie gebeten, mich anzurufen?«
»Er meinte, Sie könnten mir helfen.«
»Wie denn?«
»Ich kenne hier keinen, außer ein paar jungen Mädchen, die für mich arbeiten. Ich habe hier keine Verwandten. Meine Eltern sind alt und nicht bei bester Gesundheit.«
»Haben Sie Geschwister?«
Sie schüttelt den Kopf. »Calder hat gehofft, dass Sie sich mit mir anfreunden. Oder meine Freundin werden. Oder wie das heißt. Damit ich nicht nach Dänemark zurückkehre.«
Annie stellt sich ihre Freundschaft vor, hat aber kein klares Bild vor Augen. Und jetzt merkt sie, dass sie Sidsel gekränkt hat, weil sie nicht schnell genug reagiert hat. Sie nicht spontan in ihr Leben lässt.
»Aber das ist sowieso dumm«, sagt Sidsel. »Er braucht sich deshalb keinen Kopf zu machen. Ich kehre nicht nach Dänemark zurück. Ich lasse ihn nicht allein. Ganz gleich, was passiert.«
Wenn sie Freundinnen wären, würde Annie sagen: »Ach, aber das könntest du tun. Menschen tun so was und leben auf einmal so, wie sie sich das nie vorgestellt haben.«
»Es wird immer schlimmer mit seinen Tics«, sagt Sidsel.
»Ich weiß. Das hat mir mein Onkel Calder erzählt.«
»Ich liebe Onkel Calder.« Sidsel lächelt, anscheinend in Erinnerung an ihn.
Zum zweiten Mal heute wirkt die Erwähnung
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