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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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»Jedenfalls dachte ich, wir könnten vielleicht mal telefonieren. Wenn du möchtest.« Sie drückte den Weihnachtsstern an ihre Brust und dachte daran, wie hässlich er mal gewesen war. Sie dachte daran, wie toll das doch wäre, wenn sie sich alle so verändern könnten wie er.
    »Danke«, sagte sie.
    »Du rufst also an?«
    »Okay.«
    Sie wartete, bis der Wagen verschwunden war, bevor sie die Tür schloss und die Pflanze auf den Küchentisch stellte. Dann griff sie in das Cellophan und fand den kleinen Zettel.
    »Was zum Teufel wollte der denn hier?«, fragte Calder beim Hereinkommen.
    Sie drückte den Zettel in ihrer Faust. »Keine Ahnung.«
    »Hast du ihn überhaupt erkannt? Er sieht vollkommen anders aus. So normal.«
    »Ich habe ihn letzten Sommer bei
Lukeman’s
getroffen. Seine Eltern haben Besuchsrecht und wollen ihn jedes zweite Wochenende sehen.« Das waren Joshuas Worte vor sechs Monaten gewesen, und es erregte sie ein wenig, sie jetzt aus ihrem eigenen Mund zu hören.
    »Wieso hast du denn nie was gesagt?«
    »Ich fand das nicht wichtig.«
    »Du wolltest nicht, dass ich es erfahre.«
    »Sei nicht albern. Wieso denn nicht?«
    »Ich habe gesehen, wie ihr beide euch angeguckt habt, Annie. Um Gottes willen, er ist immer noch Josh Pinckney, ganz gleich, wie er aussieht oder wie er sich nennt oder bei wem er wohnt. Hast du vergessen, wie er uns das Leben zur Hölle gemacht hat?«
    So freundlich Calder früher zu den Pinckneys gewesen war, trotz ihrer Grausamkeit, jetzt lehnte er genauso entschieden jede Freundlichkeit ab.
    Doch niemand hätte erschrockener sein können als Annie über das, was gerade geschah. Eine warme Erregung rauschte immer noch durch ihren Körper, weil er hier auf der Veranda gewesen war, so nahe dem Ort, wo sie aß und schlief und Musik spielte.
    »Hast du vergessen, dass er mir das Leben gerettet hat?«
    Calders Kiefer spannte sich an. »Hast du vergessen, dass du ihn umbringen wolltest?«
    Sie schnappte sich den Weihnachtsstern, brachte ihn in ihr Zimmer und stellte ihn auf die Kommode, wo sie ihn vom Bettaus sehen konnte. Wie gern hätte sie in dem Moment ihre Mutter wiedergehabt. Um ihr zu erzählen, wie Joshua sich verändert hatte. Wie er ihre Hand berührt hatte und wie es seitdem in ihrem Bauch kribbelte. Die Hitze in ihrem Gesicht schien gar nicht mehr abzukühlen.
    Sie drückte sich in ihr Kissen, holte tief Luft und faltete den Zettel auf. Da musste sie feststellen, dass die Feuchtigkeit unter der Folie die Tinte verschmiert hatte und die letzten beiden Ziffern unleserlich waren.

DREIUNDZWANZIG
    Annie schläft nicht bei ihm im Bett. Das erscheint ihr nicht richtig. Er war kaum wach in all den Stunden, die er hier ist, und sie hält es für unpassend, einfach neben ihn unter die Decke zu kriechen, und sei es nur, um ihn schlafen zu sehen. Vielmehr liegt sie den größten Teil der Nacht wach im Gästezimmer und hört ihn schnarchen und husten in ihrem Bett am anderen Ende des Flurs. Mehrmals steht sie auf, um ihm Wasser und Brühe einzuflößen und noch eine Pille zu geben, und dann öffnet sie die Vorhänge im Gästezimmer einen Spalt und beobachtet, wie im Dunkeln der Schnee fällt. Jedes Mal sucht sie am Boden nach Detour, und jedes Mal fällt ihr ein, warum er nicht da ist, stattdessen aber Owen, und durch diese Drehtür bewegen sich ihre Gedanken, bis die Sonne hinter einer weiteren Front von Schneewolken aufgeht.
    Es ist Heiligabend. Sie geht aus dem Haus, bevor Owen aufwacht. Sie will eine kleine Balsamtanne kaufen, nicht größer als sie selbst, bei John Smiley, dessen Land an seinem Haus liegt, mit einem Schild davor, auf dem das ganze Jahr über steht:
Smileys Baumschule – hol dir einen!
Die Straßen sind fast ganz menschenleer. Es hat die ganze Nacht geschneit, und er muss zehn Zentimeter hoch liegen. Genau weiß sie das nicht. Sie will nicht das ganze Gerede im Radio hören über Ernteschäden und -verluste.
    Sie schleift den Baum ins Haus und fummelt ihn in den Ständer am Fenster, wo sie die unsymmetrische Seite an der Wand versteckt. Sie zündet ein Feuer an, zieht ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und holt den Schmuck aus der Garage. Der Baum ist beinahe fertig geschmückt, als sie Owen im Schlafzimmer hört.
    »Wie fühlst du dich?«, fragt sie von der Schlafzimmertür aus. Er ist ein Fremder und dennoch vertrauter als jeder, den sie kennt.
    Das Zimmer riecht muffig, nach seinem Husten, seinen Kleidern. Er sitzt auf der Bettkante und reibt sich die

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