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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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bist du gekommen? Hau ab!«, schrie Annie. »Raus aus unserem Haus.«
    Joshua und Calder standen wie erstarrt hinter ihr im Flur. Nur Calders Augen zwinkerten.
    Onkel Calder rappelte sich auf und taumelte an den beiden vorbei. Er klopfte Calder auf die Schulter, und im Vorübergehen legte Calder seine Hand auf die seines Onkels.
    »Er kann in dem Zustand nicht nach Hause fahren«, sagte Joshua.
    »Hier bleibt er nicht«, sagte Annie.
    »Ich kann ihn fahren.«
    Annie nickte, doch sie dachte schon wieder daran, dass Joshua sie im Herbst verlassen würde, und in jenem Moment wollte sie ihn nicht um sich haben, sie wollte nicht so abhängig sein. Sie schloss sich im Bad ein, klappte den Toilettensitz herunter und setzte sich wie benommen hin.
    Dann brach es über sie herein. Sie schrie in ein Badetuch, das offensichtlich gewaschen werden musste. Das ganze Badezimmer musste geputzt werden. Sie konnte den Schimmel von der Wanne riechen, als sie ihre Tränen erstickte.
    Calder klopfte leise an die Tür, trat ein und setzte sich auf den Wannenrand ihr gegenüber. Sie starrten auf die rosa Badematte, die von ihren dreckigen Sommerfüßen braun war.
    »Joshua bringt ihn nach Hause«, sagte Calder schließlich. »Ich hab ihm gesagt, dass ich hier bei dir bleibe.«
    Annie nickte. Sie freute sich, dass Calder und Joshua sich vertrugen. Sie schienen sich wirklich zu mögen, und wie sie so dasaß und darüber nachsann, fühlte sie sich etwas besser, weil sie wusste, wie weit Menschen es bringen, wie sehr sie sich bessern konnten.
    Ihre Mutter kam nicht aus dem Zimmer heraus.
    Calder und Annie warteten auf Joshua im bläulichen Schein der Mattscheibe. Mehrere Folgen von
M.A.S.H.
flimmerten ins ansonsten dunkle Wohnzimmer.
    Als er schließlich zurückkehrte, machte er einen erschöpften Eindruck, emotional und körperlich. Er sah sich in der Küche um, als ob er sich orientieren müsste. Er hatte noch zwei Stunden zu fahren, um nach Hause zu kommen.
    Jeglicher Wunsch nach Unabhängigkeit war verschwunden. Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn, das hatte sie nie vor Calder getan. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Calder sich abwandte. Sie trat einen Schritt von Joshua zurück. »Wie ist es gelaufen?«
    »Ich habe ihm ins Bett geholfen und ihm die Schuhe ausgezogen. Er war schon eingeschlafen, als ich die Tür schloss. Trinkt er immer so?«
    Annie und Calder sahen sich an. Sie wussten es nicht. Sie hatten nicht die leiseste Ahnung von irgendwas.
    Wochen später kündigte ihre Mutter an, sie würden demnächst an den Wochenenden Onkel Calder besuchen, genauso wie sie vor Jahren angeordnet hatte, dass sie in die Kirche gehen mussten. Und genau wie in die Kirche würden nur Annie und Calder zu ihm gehen. Es war, als ob ihre Mutter und ihr Onkel sich gerade hätten scheiden lassen.

SIEBENUNDZWANZIG
    Verlegen schlüpfen sie in ihre Kleider.
    »Es schneit immer noch«, sagt Owen.
    »Ja.« Annie schließt den letzten Knopf an ihrer Bluse. Sie schüttelt sich das Haar hinter die Schultern und sucht den Fußboden nach ihrem Haarband ab.
    Sie setzen sich an den Küchentisch, auf Owens Wange ist noch ein roter Fleck.
    Er öffnet den Mund und kratzt sich den Schnurrbart. Dann schiebt er seine Hand über den Tisch auf sie zu und zieht sie wieder zurück. Annie verschränkt die Arme und spricht bewusst kein Wort. Sie wird warten, bis er das Schweigen mit seiner Version der Wahrheit beendet.
    Er steht vom Tisch auf und kocht noch eine Kanne Kaffee. »Du hast doch nichts dagegen?«
    »Überhaupt nichts.«
    Er wartet an der Arbeitsplatte und betrachtet den Schnee durch das Küchenfenster. Annie betrachtet ihn auch. Die Virginia-Eiche scheint vom Weiß verschluckt zu sein. Die dunkelbraunen Linien der Borke wirken wie Schatten, als wären die schneebedeckten Zweige lebendig.
    Als der Kaffee fertig ist, gießt Owen eine Tasse voll und schiebt sie zu Annie hin.
    »Ich weiß nicht, ob ich bleiben kann«, sagt er, und die Luft scheint zu zerreißen.
    Annies Kehle ist ausgedörrt. Plötzlich hat sie furchtbaren Durst. Sie muss sich bremsen, um nicht den heißen Kaffee hinunterzustürzen. »Schön. Hat dich keiner drum gebeten.«
    »Das stimmt, ich dachte nur …«
    »Was? Du hast
was
gedacht?«
    »Annie.«
    »Raus damit!«
    »Ich werde Vater.«
    Das Zimmer verwandelt sich in eine Art Spiegelkabinett, in dem alles verschmilzt, die Baumlichter verschwimmen in einem Augenwinkel, während sich im anderen der weiße Baum spiralförmig nach oben

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