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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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kommt quer durch den Raum auf sie zu. Seine weite Zimmermannshose und das Surfer-Sweatshirt lassen ihn jünger erscheinen, als er ist, oder die dünnen Fältchen um seine Augen machen ihn älter. Sie schätzt ihn auf das Alter, das ihr Vater jetzt hätte, wenn er noch leben würde.
    Er stellt sich als Frank vor, während er ihr einen Tisch im hinteren Teil zuweist und eine rauchige Zitrusnote vom Grill hinter dem Ende der Theke herüberzieht. Das muss wohl der Zackenbarsch sein. »Marinieren Sie ihn in Orangensaft?«, fragt sie, zieht ihre Jacke aus und legt sie über den Extrastuhl an ihrem Tisch.
    Frank grinst.
    »Pampelmuse?«, fragt sie.
    Frank legt die Hände an die Hüften seiner weiten Hose, und mit einem gutmütigen Grinsen, das zwei Grübchen entstehenlässt, sagt er: »So gern ich Ihnen das verraten würde, ich kann es leider nicht.«
    Sie lächelt und dreht sich zu der fröhlichen Schar um. Geschäftsgeheimnisse muss man respektieren, das weiß sie wohl. Eine Stunde ist verstrichen, seit sie Owen in ihrem Wohnzimmer zurückgelassen hat, und solange sie lebt, würde sie nie irgendeiner Menschenseele erzählen wollen, was dort vorgefallen ist.
    »Ein Bier, kommt sofort«, sagt Frank unaufgefordert. Ihre Miene muss wohl alles sagen, und ihr gefällt, dass er sie lesen kann. Er hat so etwas Vertrautes an sich, wie ein Vetter, ein Onkel, jemand, der einen sehr mag, ohne besonderen Grund.
    Er will ihr eine Karte geben. »Ich nehme den Zackenbarsch«, sagt sie, lehnt sich auf dem Stuhl zurück und reibt sich die Hände. Frank lächelt. »Kommt sofort, Käpten«, sagt er und geht hinter die Theke.
    Eine Zeitung liegt gefaltet auf dem leeren Tisch neben ihr. Die riesige rote Schlagzeile lautet: WEISSE WEIHNACHT – FARMER SCHREIBEN ROTE ZAHLEN. Darunter sind Fotos von vereisten Orangen, die wie Pralinen mit Zuckerüberzug aussehen. Annie blättert um. Rechts unten in der Ecke steht eine kleinere Schlagzeile:
Staatsanwaltschaft fordert Todesstrafe im Fall Jørgenson
. Calders Polizeifoto starrt ihr entgegen. Sie spürt einen Schmerz in der Brust und reibt sie wie bei einem Anfall von Sodbrennen, bis er vergeht. Seine Wuschelmähne wirkt, als wäre er gerade einem Cabrio entstiegen. Seine Augen sind blutunterlaufen, und ein Lid scheint ihm zuzufallen. Sie denkt sich, dass Calder darum gekämpft hat, für die Kamera ruhig zu bleiben. Daneben ist ein Bild von
Hal’s Roadside Bar
mit der weißen Schindelfassade und dem Kies-Parkplatz davor. Sie überfliegt den Artikel.
Bruder der Singer-Songwriterin Annie Walsh … konnte nur von jemandem mit sehr viel Kraft begangen worden sein … Anscheinend wurde der Schädel dieses Hünen an die Außenwand der Bar geknallt … Laut gerichtsmedizinischem Befund könnte ein schweres Gerät aus Metall die Tatwaffe gewesen sein
.
    Sie schlägt die Zeitung zu und wirft sie wieder dorthin, wo sie sie gefunden hat.
    Frank stellt das schäumende Bier vor sie hin, und sie nimmt große, unbehagliche Schlucke wie ein Kind, das sich zwingt, Medizin zu trinken. Hitze steigt ihr in Kopf und Hände. Sie beobachtet die lachenden Menschen beim zwanglosen Zusammensein, Menschen, die sich anscheinend um nichts sorgen oder neben dem Hier und Jetzt kein anderes Leben da draußen haben.
    Durch die Glastür hat sie eine fantastische Aussicht auf die hintere Terrasse. Tiere haben Spuren im Schnee hinterlassen. Vögel, Waschbären. Da ist ein Pfosten, an den man Hunde anbinden kann, und ein Wassernapf und ein kleines Bett aus Sägespänen unter der Markise, und sie weiß spontan, dass sie diesen Frank mag. Wald umgibt die Terrasse an drei Seiten, und sie verrückt ihren Stuhl, um die verschneiten Bäume besser sehen zu können.
    Sie leert ihr Glas. Nach dem zweiten fühlt sich ihr Körper wie im Traum und wohlig an, ihre Hüften schmiegen sich an den Holzstuhl. Wäre Frank nicht mit dem Barsch gekommen, wäre sie vielleicht eingeschlafen.
    »Fließt da hinten ein Fluss vorbei?«, fragt sie.
    »Der St. Johns River«, sagt er. »Er liegt hinter den Bäumen versteckt.«
    »Sie haben nicht zufällig Maisbrot?«
    »Kommt sofort«, sagt er und eilt davon, als eine Küchenglocke ertönt.
    Der Zackenbarsch zergeht ihr auf der Zunge, eine himmlische Verschmelzung von buttrigem Pfeffer, Zitrus und Rauch, und sie will einfach nur unter lachenden Menschen und bei Aretha Franklin sein, die jetzt aus der Musikbox ertönt. Doch das Bier scheint ihr das Hirn vernebelt zu haben, und eine Erinnerung, die sie lange

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