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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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sollten wir lieber Schluss machen. So kann es nicht weitergehen.«
    Â»Nein, das geht wirklich nicht.«
    Ich redete nicht nur von unserer Beziehung. Die war mir zwar mal unheimlich wichtig gewesen, aber jetzt wurde sie von anderen Dingen überschattet. Helens Andeutung war zwar absurd gewesen, aber ich musste mich ihr stellen, um sie verwerfen zu können. Wie Helen selbst gesagt hatte, ich hatte keine Alternativen anzubieten. Meine Eltern würden mich vielleicht auslachen, sie könnten verletzt und wütend sein – oder so besorgt, dass sie mich zu einem Psychiater aufs Festland schleppten. All das wäre besser, als diesen kleinen Zweifel immer weiterwuchern zu lassen, der mir in den Kopf gesetzt worden war … dass es tatsächlich eine Lia geben könnte, die meine Schwester war. Ich brauchte Gewissheit.
    Am nächsten Tag ging ich sofort, als ich nachmittags aus der Schule kam, die Treppen zu Moms Atelier hoch.
    Ohne anzuklopfen, trat ich ein, so hat sie es am liebsten. (»An die Tür zu hämmern ist keine gute Idee, wenn jemand einen Pinsel mit Farbe in der Hand hat«, sagt sie immer.) Goldenes Nachmittagslicht fiel in den Raum, es ist so viel sanfter als das blauweiße Morgenlicht. Mom stand vor ihrer Staffelei, den Rücken hatte sie mir zugewandt. Auf ihrer Leinwand war eine grobe Skizze von Strand und Meer und der Gestalt eines Kindes zu sehen. Schon an den Umrissen konnte ich erkennen, dass es Megan war, die sich auf Hände und Knie gestützt vorbeugte und eingehend etwas betrachtete, das vom Meer angespült worden war. Der Himmel war grau und etwas bedrohlich, als ob sich in der Ferne ein Sturm zusammenbraute. Die Himmel malte Mom immer zuerst, dann arbeitete sie sich zum Vordergrund ihrer Bilder vor.
    Ich holte tief Luft und stellte ihr die Frage.
    Â»Habe ich eine Zwillingsschwester?«
    Eine ganze Weile ließ nichts darauf schließen, dass Mom mich gehört hatte. Sie saß regungslos da, doch die Hand, die den Pinsel hielt, war in der Luft erstarrt, keinen Zentimeter von der Leinwand entfernt. Dann, ganz langsam, drehte sie sich zu mir um.
    Â»Wie kommst du denn auf so was?«
    Â»Ich muss das wissen.«
    Â»Aus heiterem Himmel stellst du doch nicht so eine Frage. Irgendjemand muss dich doch dazu angestiftet haben.«
    Â»Ist das so wichtig?«
    Dass sie es nicht sofort abgestritten hatte, war schon Antwort genug. Ungläubig starrte ich sie an. »Was ist mit ihr passiert? Wo ist sie? Wie kann es sein, dass ihr mir nie was erzählt habt?«
    Â»Wir haben keinen Grund gesehen, warum du es wissen solltest«, sagte Mom. Sie war ganz blass, ihre Augen waren weit aufgerissen und sie guckte verschreckt, genau wie Neal, wenn er mit einem Problem konfrontiert wird und nicht weiß, wie er damit umgehen soll.
    Â»Die ganze Geschichte liegt schon so lange hinter uns, und wir hatten keine Wahl, wir konnten euch nicht beide mitnehmen. Eigentlich konnten wir uns nicht mal ein Baby leisten, aber wir wollten dich unbedingt …«
    Â»Ihr konntet uns nicht mitnehmen!«, wiederholte ich. »Wohin?« Eine zweite Möglichkeit kam mir in den Sinn. Meine Stimme wurde unnatürlich schrill, ich hörte mich an wie jemand aus einer billigen Seifenoper. »Bin ich adoptiert?«
    Â»Oh mein Gott, jetzt hab ich alles falsch gemacht, oder?« Kläglich schüttelte Mom den Kopf. »Als du hier reinkamst und nach dem Zwilling fragtest, dachte ich, wenn du so viel herausgefunden hast, kennst du auch die Umstände. Ich hab es dir nie auf diese Art sagen wollen. Komm, wir holen Dad. Dann setzen wir uns zusammen und besprechen das alles, und er wird dir erklären …«
    Â»Ich bin adoptiert, oder? Sag’s mir!«
    Â»Ja.« Mom wollte aufstehen, sie streckte die Arme nach mir aus, aber ich wies sie ab.
    Â»Du hast mich angelogen! Siebzehn Jahre lang habt ihr mich angelogen!«
    Â»Das ist nicht wahr«, sagte Mom. »Wir haben nie gelogen, wir haben es dir nur nicht gesagt. Ist das wichtig? Du bist unser Kind, genauso wie dein Bruder und deine Schwester. Wir könnten dich auch nicht mehr lieben, wenn ich dich selbst zur Welt gebracht hätte. Und wir haben nie irgendeinen Grund dafür gesehen, dich zu verunsichern. Du solltest nicht über Dinge nachgrübeln, die für dein Leben keine Bedeutung haben.« Sie hielt inne, und dann sagte sie flehend: »Lass uns jetzt runtergehen, Laurie. Dein Vater kann dir all

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