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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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das besser erklären als ich.«
    Â»Du redest von dem Mann, den ich immer für meinen Vater gehalten habe«, sagte ich kalt. Ich wollte sie verletzen, den schrecklichen Schmerz, den sie mir gerade zugefügt hatte, mit gleicher Münze heimzahlen. »Er ist der Vater von Neal und Megan, nicht meiner.«
    Â»Er ist dein Vater, auf jede Weise, die zählt«, sagte Mom.
    Und dann gingen wir runter und sie holte Dad aus seinem Büro, und wir setzten uns an den Küchentisch, weil in unserer Familie die großen Gespräche immer da geführt werden, und er erzählte mir die ganze Geschichte. Er wirkte längst nicht so erschüttert wie Mom. Es war so, als hätte er diesen Moment schon seit Langem erwartet.
    Â»Mir war immer klar, dass wir das eines Tages durchmachen müssen«, sagte er. »Irgendwann würde etwas passieren, vielleicht würde deine Krankengeschichte gebraucht werden, und dann dürftest du nicht weiter glauben, dass deine Gene direkt aus der Linie der Strattons und Comptons stammen. Viele Leute gehen mit dem Thema Adoption ganz offen um. Trotzdem hat deine Mutter damit immer Schwierigkeiten gehabt.«
    Â»Wir haben so ein gutes Leben miteinander, wir fünf«, verteidigte sich Mom. »Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, das zu verderben. Mir ist egal, was andere machen, ich finde es nicht gut, eine Familie so auseinanderzureißen. Man hört immer wieder von all diesen jungen Menschen, die herausfinden, dass sie adoptiert wurden und dann losziehen, um ihre ›richtigen Eltern‹ zu suchen, so als ob ihre Adoptiveltern nicht viel mehr als Babysitter gewesen wären.«
    Â»Ich will es wissen«, sagte ich dumpf. »Ich will alles wissen.«
    Â»Nun, dann erzähle ich es dir«, sagte Dad. »Aber zuerst will ich ein Glas Wein.«
    Er stand auf und holte Gläser für sich und Mom, mir hätte er auch eins gebracht, aber ich winkte ab. Dann setzte er sich wieder hin und schenkte ihnen beiden ein, hob das Glas und nahm einen Schluck.
    Â»Es ist eigentlich ganz einfach«, sagte er. »Wir wollten ein Kind und wir konnten keins kriegen. Jahrelang haben wir es versucht. Die Ärzte hatten deiner Mutter erklärt, dass ihre Eierstöcke nicht richtig funktionierten. Den genauen Grund dafür konnten sie nicht nennen, es war einfach so. Wir stellten einen Adoptionsantrag im Staat New York und der wurde abgelehnt. Das war nicht weiter erstaunlich, ein aufstrebender Autor, verheiratet mit einer aufstrebenden Künstlerin, beide ohne regelmäßiges Einkommen … so was ist nicht gerade optimal für eine Elternschaft.
    Aber wir wollten ein Kind, so eigennützig waren wir, glaube ich, und wir haben so sehr an uns selbst und an einander geglaubt. Wir waren ganz sicher, dass die mageren Jahre irgendwann zu Ende gehen würden und dass einer von uns es schließlich schaffen würde. Aber wir befürchteten, dass wir bis dahin zu alt sein könnten, um noch als Adoptiveltern in Frage zu kommen. Dann hörten wir, dass man im Südwesten Babys gemischtrassiger Herkunft adoptieren konnte, also fuhren wir dort hin. Das war die Reise, von der wir an dem Abend gesprochen haben, als Helen hier war.«
    Â»Gemischtrassige Herkunft«, wiederholte ich stumpf. »Was genau bin ich denn?«
    Â»Dein biologischer Vater war weiß«, sagte Dad. »Deine biologische Mutter war eine Navajo.«
    Â»Dann bin ich zur Hälfte Indianerin?« Ich flüsterte, so erstaunt war ich. »Deshalb sehe ich so anders aus als ihr und die Kleinen! Meine Haare, meine Gesichtszüge …«
    Â»Deine Alien-Augen.« Dad wollte einen Witz draus machen, landete damit aber nicht. Er nahm einen großen Schluck Wein und füllte sein Glas auf. »Ach, was soll’s, Laurie, in vielen Familien sehen die Familienmitglieder sich nicht besonders ähnlich oder ihre Herkunft ist unterschiedlich. Die Wurzeln der Menschheit sind miteinander verflochten, wir sind alle irgendwelche Mischungen und Kombinationen.«
    Â»Das ist nicht witzig.«
    Â»Soll es auch nicht sein. Schatz …« Er wollte meine Hand nehmen, und als ich sie mit einem Ruck wegzog, wirkte er tief getroffen. »Laurie, das ist doch keine so große Sache. Du bist derselbe Mensch, der du immer gewesen bist. Du bist unsere geliebte Tochter. Du bist eine von uns, eine Stratton. Was macht das schon, dass du nicht von demselben Wind in unser Leben geweht worden

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