Komm zurueck, Como
Como überlebte, könnte es sein, dass er mir für das, was geschehen war, nicht die Schuld gab und mich nicht verbannte. Wir könnten schließlich doch noch einen Weg zueinander finden. Wenn… wenn… wenn er es schaffte.
Die Interviewpartner kehrten zum Thema Pferde und schwarze Hüte zurück. Doch kurz bevor ich in die Klinikparkgarage einbog, sprach mich Temple Grandin erneut direkt an. Ein Hund könne Angst vor Nike-Schuhen haben, erklärte sie, » weil es das ist, was er sah, als jemand auf ihn einschlug«. Meine schwarzen Schuhe, die Como damals erschreckt hatten– hier war die Erklärung. Ich war nicht nur in meine Schuhe geschlüpft, sondern auch in ein Bühnenstück, das für Como geschrieben und gespielt worden war, noch lange bevor wir beide uns kennengelernt hatten.
» Man kann ein Tier desensibilisieren, aber ein Angstgedächtnis lässt sich niemals auslöschen«, berichtete Grandin. » Die Natur lässt so eine Löschung nicht zu. Sie lässt nur zu, die Akte zu schließen.«
Der Automat spuckte meine Parkmarke aus. Ich fuhr ins Untergeschoss, stellte meinen Wagen ab, fuhr mit dem Fahrstuhl in die dritte Etage und wartete, bis ich an die Reihe kam. Dr. Palacios sah sich kurz die Bisswunden am Schienbein und am Arm an, untersuchte meine linke Hand aber genauer. Er spannte die Haut an meiner Daumenwurzel an und fragte, ob dies wehtue.
» Wissen Sie, das kann ich gar nicht sagen. Ich denke, ich stehe immer noch unter Schock«, antwortete ich und erstattete einen kurzen Bericht über den Unfall.
» Ist das derselbe Hund, der vielleicht was mit dem Ausschlag vom letzten Jahr zu tun hatte?« Er sah sich meine Krankenakte auf seinem Bildschirm an.
» Genau der«, bestätigte ich.
» Und sind Sie sicher, dass seine Impfungen auf dem aktuellen Stand sind?«
» Ich denke ja. Aber er ist noch beim Tierarzt, wir können dort nachfragen.«
Dr. Palacios wies mich an, die Wunden sauber zu halten und so wenig wie möglich zu verbinden. Ich sollte wiederkommen, falls Comos Impfungen nicht auf dem aktuellen Stand waren. Er schien beruhigt zu sein, dass kein Grund zur Sorge bestand. » Ich hoffe, Sie haben viel Spaß mit dem Hund«, sagte er, als ich aufstand, um zu gehen. » Weil ich mir sicher bin, dass er Ihnen auch einige Probleme macht.«
Etwa eine Stunde später fuhren Sally und ich auf dem Weg zu Phoebes Schule bei der Tierarztpraxis vorbei. Der Haustierkrankenwagen, ein schick lackierter Van, stand vor dem Haus. Ich wollte anhalten und sichergehen, dass alles in Ordnung war.
» Es ist alles in Ordnung«, beruhigte mich Sally und tätschelte meinen Oberschenkel, während sie weiterfuhr. » Deswegen ist der Krankenwagen da, und zwar pünktlich.« Wir sollten eher ihrem Urteilsvermögen trauen als meinem. Sie parkte eineinhalb Straßenblocks von der Schule entfernt, von wo aus wir uns gemeinsam auf den Weg machten.
» Was ist los? Ist was passiert?«, fragte Phoebe, sobald sie uns sah. Dass wir beide sie von der Schule abholten, weckte ihr Misstrauen. Mein Gesichtsausdruck schien sie noch mehr zu beunruhigen. » Ist was mit Oma?«, fragte sie mich. » Geht’s ihr nicht gut?«
» Ihr geht’s gut«, beruhigte ich sie, froh, ihr wenigstens diese gute Nicht-Nachricht über meine kränkelnde Mutter überbringen zu können. » Es gab heute Morgen einen Unfall«, begann ich, ohne die Fortsetzung zu kennen. » Mit Como.«
» Ist er tot?«, unterbrach mich Phoebe.
» Nein, mein Schatz«, meldete sich Sally zu Wort. » Er ist auf dem Weg in eine sehr gute Veterinärklinik, wo sein Becken operiert wird. Er wurde von einem Auto angefahren.«
» Ich will zu ihm«, verlangte Phoebe und marschierte los. Eine ihrer Freundinnen rief ihr etwas zu. Phoebe antwortete nicht, blickte nicht einmal auf. Sie hatte ein Ziel vor Augen.
Wir fuhren in die Klinik, die in einem ruhigen Viertel zwischen Mission und Petrero Hill lag. Phoebe wimmerte leise auf dem Rücksitz, stellte aber keine weiteren Fragen zum Unfall oder darüber, was die Tierärztin uns erzählt hatte. Einerseits war ich dankbar dafür: Ich brauchte nichts zu erklären und die Einzelheiten nicht noch einmal zu erzählen. Doch ich war auch besorgt. War es nicht besser, mit einem Kind die Dinge unmittelbar zu besprechen und zu erfahren, was sie dachte und fühlte? Mein Blick zu Sally hinüber verriet mir, dass ihr dies nicht in den Sinn gekommen war. Schweigen war eine natürliche, ja sogar wünschenswerte Eigenschaft in ihrer Familie. Man hatte Zeit,
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