Komm zurueck, Como
der Autorin Temple Grandin, das ich am Tag des Unfalls im Radio gehört hatte. Tiere folgen bei traumatischen Ereignissen nicht unbedingt der gleichen Kette von Ursache und Wirkung wie Menschen, hatte Grandin gesagt. So wie Como vielleicht dem Asphalt oder dem Reifen des Geländewagens die » Schuld« für den Unfall gegeben hatte, könnte er den Infusionsschlauch oder den Geruch anderer Hunde für sein Leiden im Krankenhaus verantwortlich machen.
Wenn das stimmte, wenn Dr. Watt für Como nicht der böse Kerl war, der schuld an der quälenden Operation war, gab es für mich und Como vielleicht eine Möglichkeit, von unserem dornigen Weg, den wir bisher gegangen waren, abzuweichen und friedliches Neuland zu betreten. Es war bereits ein Segen, dass er mich nicht mit dem Unfall in Verbindung zu bringen schien, und unser Umgang hatte sich in den letzten Monaten nicht verschlimmert, sondern in gewisser Hinsicht sogar verbessert. Das mochte auch etwas mit Comos beeinträchtigter Bewegungsfähigkeit zu tun haben, denn Como ließ mich ohne größere Probleme an sich heran, um ihn an die Leine zu nehmen, auf die Arme zu heben und herumzutragen, auf meinen Schoß zu legen und sein struppiges Fell zu kraulen.
Ich entdeckte einen neuen Teil von mir: die Fähigkeit, anderen gegenüber aufgeschlossener zu sein. Diese Erkenntnis kam für mich unerwartet. Es gab viel zum Nachdenken.
Ich bückte mich, um Como auf den Beifahrersitz zu heben. Während ich die Sixteenth Street Richtung Market Street entlangfuhr, den städtischen Bussen und den braunen UPS-Wagen auswich, von denen in jedem Straßenblock einer in zweiter Reihe zu parken schien, trieben meine Gedanken von Phoebes schonungsloser Liebe Como gegenüber zu Julio und seinem Sohn, die mit ansehen mussten, wie ihr Hund überfahren wurde und starb. Ich dachte über Ralph und Sebby nach, die beiden Hunde meiner Schwester, und wie grausam es für sie gewesen war, als Ralph viel zu früh gestorben und Sebby mit allen unschönen Konsequenzen alt geworden war.
Urplötzlich erinnerte ich mich an einen kleinen, braunweißen Drahthaar-Terrier, der, wie ein Wahnsinniger jaulend, den Bürgersteig entlang auf mich zurannte, als ich zehn Jahre alt war. Der Schreck versetzte mich in Panik, sodass ich, während die Brotdose gegen mein Bein schlug und mir die Bücher und mein Ringordner beinahe aus den Armen rutschten, nach Hause rannte. Ich hatte damals eine solche Angst– meine Überreaktion ängstigte mich noch mehr, als der Hund es getan hatte–, dass ich nicht stehen geblieben wäre, um die Bücher wieder aufzuheben. Ich rannte die Treppe hinauf, warf mich aufs Bett und schluchzte unkontrolliert. Ich stand unter Schock, schämte mich aber auch über die Reaktion auf einen kleinen, wahrscheinlich harmlosen Hund, der nur sein Revier verteidigte und mich als Bedrohung sah. Meine Mutter brauchte lange, um mich wieder zu beruhigen. Dies gelang ihr, weil sie mir versprach, beim Abendessen fernsehen zu dürfen. Ich konnte weder ihr noch sonst jemandem erzählen, was passiert war, da ich mich selbst nicht verstand. Ich liebte Hunde und wollte unbedingt einen Hund haben. Doch ich hatte auch Angst vor ihrer Schnelligkeit und ihrem Bellen, ihren drahtigen Muskeln und scharfen Zähnen, ihrer tierischen Energie, die in ihren Körpern steckte.
Ich schaltete das Radio ein und blickte zu Como, der auf dem Beifahrersitz neben mir wie immer schief dasaß, was mich amüsierte. Sein Hinterteil war zu der einen Seite geknickt, während beide Beine wie Paddel salopp zur anderen Seite ragten. Seine Vorderbeine, auf die er sich bereits wieder abstützte, standen steif nebeneinander. Der Anblick hatte etwas Zwiespältiges– das lässig dahingeflätzte Hinterteil und die ordentlich und dekorativ aufgestellten Vorderbeine. Der noch halb geschorene Körper verstärkte diesen komischen Effekt.
» Also, was willst du nun, Como?«, fragte ich ihn. » Machst du einen auf gemütlich oder auf strammstehen?« Seine Ohren zuckten beim Klang seines Namens, dann legte er sie flach nach hinten, als ein Streichquartett von Mozart aus den Lautsprechern dröhnte. Die Musik war zu laut. » Tut mir leid«, sagte ich und drehte die Musik leiser. » Vielleicht magst du ja was anderes hören? Ein bisschen Jazz? Eine Sportsendung? Easy Listening? Deine Pose würde jedenfalls gut zu Easy Listening passen.«
Eine der unterschätzten Freuden eines Erwachsenen, einen Hund zu haben, besteht darin, frei und ungehemmt mit sich selbst
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