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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Lebens war – außerordentlich passend – ein großer Baum gemalt und darunter das langgestreckte Bild zweier Männer, die auf hohe Trommeln schlugen. Ich parkte direkt vor dem Laden und trat durch eine Fliegentür ein, die eine Glocke schellen ließ, ehe sie hinter mir zufiel. Hinter dem Perlenvorhang im Hintergrund rief eine Frau etwas auf Kreolisch, und ich stand vor der Glastheke und wartete. Der Laden war von Regalen gesäumt, auf denen sich zahlreiche Gläser mysteriösen Inhalts reihten, flüssig, fest und ungewiss. Ein oder zwei schienen Objekte zu enthalten, die früher lebendig gewesen sein mochten.
    Nach einem Augenblick teilte eine Frau den Perlenvorhang und betrat den Ladenraum. Sie schien um die vierzig und war gertenschlank, mit hohen Wangenknochen und einem Teint wie sonnengebleichtes Mahagoni. Sie trug ein fließendes, rot-gelbes Kleid, und auf ihrem Kopf saß ein dazu passender Turban. »Ah« sagte sie mit dickem kreolischem Akzent. Sie musterte mich zweifelnd von Kopf bis Fuß und schüttelte leicht den Kopf. »Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    »Ach, na ja«, sagte ich und verstummte mehr oder weniger. Wie sollte ich bloß beginnen? Ich konnte doch nicht einfach sagen, dass ich der Überzeugung war, besessen gewesen zu sein, und den Dämon wiederhaben wollte – die arme Frau würde womöglich Hühnerblut nach mir werfen.
    »Sir?«, drängte sie ungeduldig.
    »Ich frage mich«, sagte ich, was immerhin der Wahrheit entsprach, »ob Sie Bücher über dämonische Besessenheit führen? Äh – auf Englisch?«
    Sie schürzte äußerst missbilligend die Lippen und schüttelte heftig den Kopf. »Keine Dämonen«, sagte sie. »Warum fragen Sie danach – sind Sie Reporter?«
    »Nein. Ich bin nur interessiert. Neugierig.«
    »Neugierig auf
Voudoun?
«, fragte sie.
    »Nur auf das, was mit Besessenheit zu tun hat.«
    »Hm«, äußerte sie noch missbilligender, falls das überhaupt möglich war. »Warum?«
    Ein kluger Mensch hat sicherlich schon einmal gesagt, dass man es mit der Wahrheit versuchen soll, wenn alles andere versagt. Diese Weisheit klang so gut, dass ich überzeugt war, nicht der Erste zu sein, dem sie einfiel, und es schien das Einzige, was mir geblieben war. Ich versuchte es.
    »Ich glaube«, sagte ich, »ich meine, ich bin nicht sicher. Ich könnte besessen gewesen sein. Vor einer Weile.«
    »Ha!«, stieß sie aus. Sie musterte mich lange und durchdringend, dann zuckte sie die Achseln. »Könnte sein«, sagte sie schließlich. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ich, äh … ich hatte so ein Gefühl, wissen Sie. Das etwas in, äh, in mir war? Mich beobachtet hat?«
    Sie spuckte auf den Boden, eine sehr seltsame Geste von einer so eleganten Frau, und schüttelte den Kopf. »Ihr Weißen. Ihr raubt uns und bringt uns her, nehmt uns alles. Und dann, wenn wir etwas aus dem Nichts schaffen, das ihr uns gegeben habt, wollt ihr auch daran teilhaben. Ha!« Sie drohte mir mit dem Finger wie ein Grundschullehrer einem schlechten Schüler. »Hör zu, Weißer. Wenn der Geist in dich eindringt, weißt du es. Das ist nicht wie im Film. Es ist ein großer Segen, und«, endete sie mit einem gemeinen Feixen, »einem Weißen widerfährt es nicht.«
    »Na ja, eigentlich schon«, stammelte ich.
    »Non«, sagte sie. »Wenn du nicht willens bist, wenn du nicht um den Segen bittest, kommt er nicht.«
    »Aber ich bin willens«, widersprach ich.
    »Ha! Zu dir kommt er nie. Du verschwendest meine Zeit.« Und sie drehte sich um und verschwand durch den Perlenvorhang.
    Ich sah keinen Sinn darin zu warten, ob sie ihre Meinung änderte. Es schien nicht besonders wahrscheinlich – ebenso unwahrscheinlich schien es, dass Voodoo Antworten zum Dunklen Passagier liefern konnte. Sie hatte gesagt, er käme nur, wenn man ihn riefe, und dass er ein Segen war. Zumindest war es eine andere Antwort, obgleich ich den Dunklen Passagier nie zum Eintreten aufgefordert hatte – er war einfach immer da gewesen. Aber um absolut sicherzugehen, blieb ich draußen vor dem Laden am Straßenrand stehen und schloss die Augen.
Bitte komm wieder herein
, sagte ich.
    Nichts geschah. Ich stieg in den Wagen und fuhr zurück zur Arbeit.
     
    Was für eine interessante Wahl
, dachte der Beschatter,
Voodoo
. Die Vorstellung barg eine gewisse Logik, selbstverständlich, wie konnte er das leugnen. Doch wirklich interessant war, was es über den Anderen verriet.
Er bewegte sich in die richtige Richtung – und er war sehr nah dran
.
    Und wenn der

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