Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
nächste kleine Hinweis auftauchte, würde der Andere noch nähergekommen sein. Der Junge war so panisch gewesen, dass er beinahe davongekrochen wäre. Doch er war es nicht; er war eine große Hilfe gewesen und nun auf dem Weg zu seiner dunklen Belohnung.
    Ebenso wie der Andere.

[home]
    30
    K aum hatte ich mich wieder auf meinem Stuhl niedergelassen, kam Deborah in mein kleines Kabuff und setzte sich auf den Klappstuhl gegenüber dem Schreibtisch.
    »Kurt Wagner ist verschwunden«, sagte sie.
    Ich wartete, doch da nichts weiter folgte, nickte ich lediglich. »Ich nehme deine Entschuldigung an«, erklärte ich.
    »Seit Samstagvormittag ist er nicht mehr gesehen worden«, fuhr sie fort. »Sein Mitbewohner sagt, er wäre völlig verängstigt gewesen, als er nach Hause kam, doch hätte er kein Wort gesagt. Er zog sich nur andere Schuhe an und ging wieder, das war alles.« Sie zögerte, dann fügte sie hinzu: »Er hat seinen Rucksack zurückgelassen.«
    Ich gebe zu, dass ich an dieser Stelle die Ohren spitzte. »Was war drin?«
    »Blutspuren«, sagte sie, als würde sie gestehen, das letzte Plätzchen genommen zu haben. »Von Tammy Connor.«
    »Na prima«, sagte ich. Es schien nicht richtig, eine Bemerkung darüber zu machen, dass sie einen anderen mit der Blutspurenanalyse beauftragt hatte. »Das ist doch eine ziemlich gute Spur.«
    »Ja. Er war es. Muss es gewesen sein. Er hat Tammy erledigt, ihren Kopf im Rucksack verstaut und dann Manny Borque umgebracht.«
    »Sieht so aus«, sagte ich. »Wie überaus schade – ich hatte gerade begonnen, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich schuldig bin.«
    »Es ergibt keinen verdammten Sinn«, klagte Deborah. »Der Junge ist ein guter Student, in der Schwimmmannschaft, ordentliche Familie – einfach alles.«
    »Er war so ein netter Junge«, zitierte ich. »Ich kann einfach nicht glauben, dass er diese schrecklichen Dinge getan hat.«
    »Schon gut«, sagte Deborah. »Ich weiß, verdammt noch mal. Das reine Klischee. Aber, was zum Teufel – klar, der Typ hat seine eigene Freundin umgebracht. Vielleicht sogar ihre Mitbewohnerin, weil sie ihn dabei überrascht hat. Aber warum die anderen? Und der ganze Mist mit dem Verbrennen und den Stierschädeln und, wie heißt der noch mal, Mollusk?«
    »Moloch«, korrigierte ich. »Eine Molluske ist eine Muschel.«
    »Wie auch immer. Aber es ergibt keinen Sinn, Dex. Ich meine …« Sie wandte den Blick ab, und einen Augenblick dachte ich, sie würde sich am Ende tatsächlich entschuldigen. Doch ich irrte mich. »Falls doch, dann verstehst nur
du
ihn. Ich meine, weil es zu den Dingen gehört, mit denen du dich auskennst.« Sie sah mich wieder an, schien aber noch immer peinlich berührt. »Das ist, weißt du – ich meine, es ist, äh – ist es zurückgekommen? Dein, äh, …«
    »Nein«, erwiderte ich. »Es ist nicht zurückgekommen.«
    »Ach«, sagte sie. »Scheiße.«
    »Hast du einen Fahndungsbefehl nach Kurt Wagner herausgegeben?«
    »Ich weiß, wie ich meinen Job machen muss, Dex. Falls er sich noch im Gebiet von Miami-Dade befindet, kriegen wir ihn, und die Strafbehörden von Florida sind ebenfalls informiert. Wenn er sich in Florida aufhält, wird man ihn finden.«
    »Und falls er nicht mehr in Florida ist?«
    Sie sah mich durchdringend an, und ich erkannte die Zeichen; so hatte Harry ausgesehen, ehe er krank wurde, nach so vielen Jahren im Polizeidienst: müde, daran gewöhnt, sich ständig verteidigen zu müssen. »Dann wird er vermutlich davonkommen«, meinte sie. »Und ich muss dich verhaften, um meinen Job zu retten.«
    »Na«, sagte ich, im Angesicht grimmiger Düsternis angestrengt um Munterkeit bemüht, »dann wollen wir mal hoffen, dass er ein äußerst auffälliges Auto fährt.«
    Sie schnaubte. »Es ist ein roter Geo, einer von diesen Minijeeps.«
    Ich schloss die Augen. Es war eine außerordentlich seltsame Empfindung, ich spürte, wie sich alles Blut in meinem Körper plötzlich in meine Füße verlagerte. »Hast du rot gesagt?«, hörte ich mich in bemerkenswert gelassenem Ton fragen.
    Keine Antwort, deshalb schlug ich die Augen auf. Deborah starrte mich mit einem Ausdruck des Misstrauens an, so tief, dass ich es fast anfassen konnte.
    »Was, zum Teufel, war das?«, fragte sie. »Eine deiner Stimmen?«
    »Gestern Abend auf dem Heimweg bin ich von einem roten Geo verfolgt worden«, erklärte ich. »Und jemand hat versucht, bei uns einzubrechen.«
    »Verdammt noch mal«, knurrte sie mich an. »Wann, zum Teufel,

Weitere Kostenlose Bücher