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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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kurz, dann sprang er hinein und schwamm zu dem halbversunkenen Auto. Während er das tat, vernahm ich hinter mir das Geräusch schwerer, scharf bremsender Reifen. Ich drehte mich um.
    Ein gelber Hummer kam hinter meinem Wagen schaukelnd zum Stehen, und ein Mann mit rotem Gesicht und hellblonden Haaren sprang heraus und begann mich anzuschreien. »Du schwanzlutschender Scheißkerl!«, brüllte er. »Du hast meinen Wagen verbeult! Was, zum Teufel, glaubst du, wer du bist?«
    Noch ehe ich antworten konnte, klingelte mein Handy. »Entschuldigen Sie«, sagte ich, und seltsamerweise verharrte der hellblonde Mann schweigend, während ich mich meldete.
    »Wo, zum Teufel, steckst du?«, bellte Deborah.
    »Cutler Ridge, an einem Kanal«, antwortete ich.
    Das brachte sie eine volle Sekunde zum Schweigen, ehe sie sagte: »Nun, trockne dich ab und schieb deinen Arsch rüber zum Campus. Wir haben noch eine Leiche.«

[home]
    21
    I ch brauchte ein paar Minuten, um mich vom Fahrer des gelben Hummer zu befreien, und vielleicht stände ich immer noch dort, wäre nicht der Polizist gewesen, der in den Kanal gesprungen war. Er kletterte schließlich aus dem Wasser und kam zu mir herüber, während ich dort stand und einem unaufhörlichen Strom von Drohungen und Beschimpfungen lauschte, von denen keine besonders originell war. Ich versuchte, höflich zu bleiben – der Mann musste offensichtlich eine Menge loswerden, und ich wollte selbstverständlich nicht, dass er einen psychischen Schaden erlitt, weil er es unterdrückte – doch hatte ich mich immerhin um einige dringende Polizeiangelegenheiten zu kümmern. Das versuchte ich ihm deutlich zu machen, doch gehörte er anscheinend zu den Menschen, die nicht gleichzeitig schreien und auf die Vernunft hören können.
    So war das Erscheinen eines unglücklichen und äußerst feuchten Polizisten eine willkommene Unterbrechung des Gesprächs, das drohte ermüdend und einseitig zu werden. »Ich würde wirklich gern wissen, was Sie über den Fahrer des Wagens herausgefunden haben«, begrüßte ich den Polizisten.
    »Jede Wette«, erwiderte er. »Kann ich bitte Ihre Papiere sehen?«
    »Ich muss zum Schauplatz eines Verbrechens«, erklärte ich.
    »Sie befinden sich an einem«, versicherte er mir.
    Deshalb zeigte ich ihm meine Legitimation, und er unterzog sie einer sehr gründlichen Betrachtung, wobei das Kanalwasser auf das laminierte Foto tropfte. Endlich nickte er und sagte: »Okay, Morgan, Sie können gehen.«
    Die Reaktion des Hummer-Fahrers hätte vermuten lassen, der Polizist hätte vorgeschlagen, den Papst anzuzünden. »Sie können den Mistkerl doch nicht einfach so abziehen lassen!«, zeterte er. »Das gottverdammte Arschloch hat meinen Wagen verbeult!«
    Und der Polizist, Gott segne den Mann, starrte ihn einfach nur an, tropfte ein wenig weiter und sagte: »Kann ich bitte Ihren Führerschein und die Zulassung sehen, Sir.« Es schien eine wunderbare Abgangszeile, und ich nahm sie wahr.
    Mein armes verbeultes Auto produzierte sehr unglückliche Geräusche, doch ich setzte mich dennoch in Richtung Universität in Bewegung – mir blieb schließlich keine andere Wahl. Gleichgültig, wie schwer beschädigt es war, es musste mich dorthin bringen. Ich fühlte eine gewisse Verwandtschaft mit meinem Wagen. Hier waren wir, zwei großartig gebaute Maschinen, durch Umstände jenseits unseres Einflusses aus der Bahn geworfen. Es war ein wunderbarer Anlass zum Selbstmitleid, und ich schwelgte mehrere Minuten darin. Der Zorn, den ich noch vor kurzem verspürt hatte, war versickert, auf den Rasen getropft wie das Kanalwasser von dem Polizisten. Der Anblick des Fahrers des Avalon, der ans andere Ufer schwamm, hinauskletterte und fortlief, hatte den gleichen Geist geatmet wie alle anderen Erfahrungen der letzten Zeit; man kam etwas näher heran, und dann wurde einem der Teppich unter den Füßen weggerissen.
    Und nun hatten wir eine neue Leiche, dabei wussten wir noch nicht einmal, was wir mit den alten anfangen sollten. Wir waren wie Windhunde auf der Rennbahn, die hinter einem künstlichen Kaninchen herjagen, das ihnen stets ein kleines Stück voraus ist – und jedes Mal verlockend fortgerissen wird, wenn ein armer Hund glaubt, er könnte gleich seine Zähne hineinschlagen.
    Zwei Streifenwagen waren vor mir an der Universität eingetroffen, und die vier Beamten hatten bereits das gesamte Gebiet um das Low Art Museum abgeriegelt und die anwachsende Menge zurückgedrängt. Ein gedrungener,

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