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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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während mir Ritas CD s entglitten und auf den Weg polterten.
    Der Wagen schnurrte langsam die Straße hinauf in Richtung Stoppschild. Ich beobachtete ihn kraftlos und benommen. Doch als die Bremslichter erloschen und er über die Kreuzung fuhr, erwachte ein winziges Stück von Dexter, und es war sehr wütend.
    Mag sein, es war die absolut dreiste, rücksichtslose Respektlosigkeit im Verhalten des Avalon, mag sein, dass alles, was ich wirklich brauchte, ein Adrenalinstoß war, um meinen Morgenkaffee zu ergänzen. Was immer es war, es erfüllte mich mit rechtschaffener Empörung, und ehe ich mich bewusst zu etwas entschließen konnte, tat ich es bereits. Ich rannte über die Einfahrt zu meinem Auto und sprang auf den Fahrersitz. Ich rammte den Schlüssel in die Zündung, ließ den Motor an und raste hinter dem Avalon her.
    Ich ignorierte das Stoppschild, beschleunigte auf der Kreuzung und entdeckte den Wagen, als er ein paar Blocks vor mir rechts abbog. Ich fuhr viel schneller als erlaubt und sah, wie er sich nach links zur U. S. 1 wandte. Ich schloss die Lücke und gab Gas, fieberhaft bemüht, ihn einzuholen, ehe er im Stoßverkehr verschwand.
    Ich war nur ungefähr einen Block hinter ihm, als er in Richtung Norden auf die U. S. 1 auffuhr, und ich folgte ihm, ignorierte das Quietschen der Bremsen und den ohrenbetäubenden Chor der Hupen anderer Verkehrsteilnehmer. Mittlerweile befand sich der Avalon zehn Wagen vor mir, und ich nutzte mein gesamtes in Miami erworbenes fahrerisches Geschick, konzentrierte mich ausschließlich auf die Straße, ignorierte die Trennlinien der Fahrbahnen, versagte es mir sogar, mich an der Kreativität der Sprache zu erfreuen, die mir aus den umgebenden Fahrzeugen hinterherschallte. Der Wurm hatte sich gekrümmt, und obgleich er vielleicht nicht mehr alle seine Zähne hatte, war er bereit zur Schlacht oder was immer es war, was Würmer ausfochten. Ich war zornig – eine weitere Neuheit für mich. Man hatte mir die Dunkelheit genommen und mich in eine helle, trostlose Ecke gedrängt, wo die Wände sich um mich schlossen, aber genug war genug. Zeit für Dexter, zurückzuschlagen. Und obwohl mir nicht ganz klar war, was ich zu tun gedachte, falls ich den anderen Wagen einholte, war ich absolut bereit dazu.
    Ich befand mich einen halben Block hinter ihm, als der Fahrer des Avalon mich entdeckte, umgehend Gas gab und sich in eine Lücke auf der äußersten linken Fahrbahn quetschte, die so eng war, dass der Wagen dahinter scharf abbremsen musste und seitlich ausbrach. Die beiden folgenden Autos krachten in seine ungeschützte Seite, und das Tosen der Hupen und kreischenden Bremsen hämmerte in meinen Ohren. Ich hatte rechts gerade genug Platz, um mich an dem Unfall vorbeizuquetschen und auf die nun leere linke Fahrspur zurückzukehren. Der Avalon war einen Block vor mir und beschleunigte, doch ich trat das Pedal durch und folgte ihm.
    Mehrere Blocks blieb der Abstand zwischen uns unverändert. Dann zwang der dichte Verkehr den Avalon erneut, langsamer zu fahren, und ich holte ein wenig auf, bis ich nur noch zwei Wagen hinter ihm war, nah genug, um eine große Sonnenbrille zu erkennen, die mich im Außenspiegel musterte. Als ich bis auf eine Wagenlänge an seine Stoßstange herangekommen war, riss er plötzlich abrupt das Steuer nach links, holperte mit seinem Wagen über den Mittelstreifen und schleuderte in den Verkehrsfluss auf der anderen Seite. Ich war an ihm vorüber, ehe ich auch nur reagieren konnte. Fast konnte ich das spöttische Gelächter hören, das zu mir herüberwehte, während er in Richtung Homestead davonrollte.
    Aber ich weigerte mich, ihn entkommen zu lassen. Es lag nicht daran, dass ich einige Antworten finden mochte, falls ich den anderen Wagen erwischte, auch wenn das vermutlich stimmte. Und ich dachte nicht an Gerechtigkeit oder irgendein anderes abstraktes Konzept. Nein, es war reine, empörte Wut, die aus irgendeiner ungenutzten inneren Nische aufstieg und durch mein Echsenhirn direkt in meine Knöchel strömte. Was ich wirklich wollte, war den Typen aus seinem gammligen Wagen zu zerren und ihm mitten ins Gesicht zu schlagen. Es war eine vollkommen neue Empfindung, die Vorstellung, jemandem in einem Wutanfall körperlichen Schaden zuzufügen, und sie war berauschend, stark genug, um alle logischen Impulse zu ersticken, die mir noch geblieben waren, und mich über den Mittelstreifen hinter ihm her zu schicken.
    Mein Auto gab grauenhaft knirschende Geräusche von

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