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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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unterbrochen vom Wiederkehren der fremden Musik, die in meinen Schlaf kroch und mich weckte, als ich mich im Bett aufsetzte, um ihr zu folgen. Ich hatte keine Ahnung, warum es eine so gute Idee zu sein schien, der Musik zu folgen, und noch weniger Ahnung, wohin sie mich führen wollte, doch anscheinend wollte ich trotzdem los. Ich ging eindeutig vor die Hunde, schlitterte rasant abwärts in den grauen, leeren Wahnsinn.
    Am Montagmorgen schwankte ein benommener, angeschlagener Dexter in die Küche, wo ich umgehend und brutal von Wirbelwind Rita überfallen wurde, die, einen riesigen Stapel Papiere und CD s in den Händen, auf mich zustürzte. »Ich muss wissen, was du denkst«, verkündete sie, und mich streifte der Gedanke, dass dies etwas war, das sie definitiv
nicht
wissen musste, bedachte man die tiefe Trostlosigkeit meiner Gedankenwelt. Aber ehe ich auch nur eine milde Weigerung formulieren konnte, hatte sie mich auf einen Küchenstuhl geschleudert und begonnen, mit Dokumenten herumzuwedeln.
    »Das sind die Blumenarrangements, die Hans stecken möchte«, begann sie und zeigte mir eine Reihe von Bildern, die tatsächlich floraler Natur waren. »Die sind für den Altar. Vielleicht ein wenig zu, oh, ich weiß auch nicht«, meinte sie verzweifelt. »Wird irgendjemand Witze über zu viel Weiß reißen?«
    Obgleich ich für meinen feinen Sinn für Humor bekannt bin, fielen mir nur wenige Witze zum Thema Weiß ein, aber ehe ich sie diesbezüglich beruhigen konnte, blätterte Rita schon weiter.
    »Also, so werden die Tische gedeckt. Hoffentlich passt das zu den Sachen von Manny Borque. Vielleicht sollten wir Vince bitten, mit ihm darüber zu sprechen?«
    »Nun«, begann ich.
    »Oh, gütiger Gott, schau mal, wie spät«, sagte sie, und ehe ich nur eine einzige Silbe entgegnen konnte, hatte sie einen Stapel CD s in meinen Schoß fallen lassen. »Ich habe sie schon auf sechs Bands zusammengestrichen«, erklärte sie. »Könntest du die heute hören und mir sagen, was du denkst? Danke, Dex«, fuhr sie unerbittlich fort, beugte sich vor, um mich auf die Wange zu küssen, und bewegte sich zur Tür, bereits mit dem nächsten Punkt auf ihrer Liste beschäftigt. »Cody«, rief sie. »Wir müssen los, Schätzchen. Komm.«
    Drei weitere Minuten Aufruhr, dessen Lichtblick Cody und Astor waren, die ihre Köpfe durch die Küchentür steckten, um sich zu verabschieden, dann knallte die Haustür, und Stille breitete sich aus.
    Und in dieser Stille glaubte ich wie in der Nacht, das schwache Echo der Musik hören zu können. Ich wusste, dass ich aufspringen und mit zwischen die Zähne geklemmtem Säbel durch die Tür stürmen sollte – hinausstürmen ins helle Tageslicht, um das Ding zu finden, was immer es war, ihm in seiner Höhle die Stirn zu bieten und es abzuschlachten – aber ich konnte nicht.
    Die Moloch-Website hatte ihre Angst in mir verankert, und obwohl ich wusste, dass es idiotisch, falsch, kontraproduktiv, in jeder erdenklichen Weise total undexterhaft war – ich konnte nicht gegen ihn kämpfen. Moloch. Nur ein alberner antiker Name. Ein alter Mythos, verschwunden vor Tausenden von Jahren, untergegangen mit Salomons Tempel. Er war nichts, ein Fetzen prähistorischer Phantasien, weniger als nichts – nur, dass ich ihn fürchtete.
    Ich schien nichts tun zu können, außer mit eingezogenem Kopf durch den Tag zu stolpern, während ich hoffte, dass es mich nicht erwischte, was immer es war. Ich war todmüde, und vielleicht verstärkte das mein Gefühl der Hilflosigkeit. Doch das glaubte ich nicht. Ich hatte das Gefühl, als käme etwas sehr Böses immer näher, meinen Geruch in der Nase, und ich konnte bereits die scharfen Zähne an meinem Hals spüren. Mir blieb nur die Hoffnung, seine Jagd ein wenig zu verlängern, aber früher oder später würde ich seine Klauen spüren, und dann würde auch ich blöken, die Beine in den Staub stemmen und sterben. Ich spürte keine Kampfbereitschaft in mir; tatsächlich war sowieso kaum noch etwas in mir, abgesehen von einer Art menschlichem Reflex, der mir sagte, es sei Zeit, zur Arbeit zu gehen.
    Ich griff nach Ritas CD s und schlurfte durch die Tür. Und als ich draußen stand und den Schlüssel herumdrehte, um die Haustür abzuschließen, löste sich langsam ein weißer Avalon vom Bordstein und fuhr mit einer lässigen Unverschämtheit davon, die durch meine Erschöpfung und Verzweiflung drang und mich mit einem Blitz reinen Grauens traf, der mich zurück gegen die Hauswand warf,

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