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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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weiß einen Scheiß. Es könnte immer noch Zufall sein.«
    »Sicher, könnte es«, gab ich zu. »Ebenso wie rechnerisch die Möglichkeit besteht, dass die Sonne im Westen aufgeht, aber es ist nicht sehr wahrscheinlich. Und wen sonst hast du denn?«
    »Diesen beschissenen Widerling Wilkins«, sagte sie.
    »Er wurde beschattet, richtig?«
    Sie schnaubte. »Ja, aber du weißt doch, wie diese Kerle sind. Sie machen ein Nickerchen oder gehen aufs Klo, schwören dann aber, sie hätten den Typen nie aus den Augen gelassen. In der Zwischenzeit ist der Typ, den sie beschatten sollen, unterwegs, um Cheerleader abzuschlachten.«
    »Hältst du ihn denn wirklich noch für den Mörder? Obwohl dieser Junge exakt zu dem Zeitpunkt hier war, als Manny ermordet wurde?«
    »Du warst auch zur selben Zeit hier. Und dieser Mord ist nicht so wie die anderen. Eher wie eine billige Kopie.«
    »Und wie ist dann Tammy Connors Kopf hierher gelangt?«, fragte ich. »Kurt Wagner ist der Täter, Debs, er muss es sein.«
    »Also gut«, gab sie nach. »Vermutlich ist er es.«
    »Vermutlich?«, wiederholte ich. Ich war wirklich überrascht. Alles wies auf den Jungen mit der Tätowierung am Hals, und Deborah zauderte.
    Sie sah mich einen langen Moment an, und es war kein Blick herzlicher geschwisterlicher Zuneigung. »Du könntest es trotzdem sein.«
    »Bitte sehr, dann verhafte mich doch«, knurrte ich. »Das wäre doch wirklich das Klügste, oder? Captain Matthews wird glücklich sein, weil überhaupt jemand verhaftet wird, und die Medien werden dich lieben, weil du deinen eigenen Bruder verknackst. Wunderbare Lösung, Deborah. Das wird sogar den wahren Mörder glücklich machen.«
    Deborah sagte nichts, drehte sich einfach nur um und ging weg. Nach kurzem Nachdenken erkannte ich, was für eine ausgezeichnete Idee das war. So tat ich es ihr nach und ging in die entgegengesetzte Richtung, hinaus aus der Wohnung zurück ins Büro.
    Mein restlicher Tag war weitaus befriedigender. Zwei Leichen, männlich, weiß, waren in einem auf dem Randstreifen des Palmetto Expressway parkenden BMW gefunden worden. Als jemand versuchte, das Auto zu klauen, entdeckte er die Leichen und meldete sie per Telefon – nachdem er die Stereoanlage und die Airbags entfernt hatte. Offensichtliche Todesursache waren mehrfache Schussverletzungen. Die Zeitungen verwenden gern den Begriff ›Mafiamethode‹, wenn Morde sauber und effizient ausgeführt werden. Wir würden diesmal nicht nach irgendwelchen Banden Ausschau halten. Die beiden Leichen und das Innere des Wagens schwammen förmlich in Blei und Blut, als hätte der Killer nicht gewusst, welches Ende der Waffe das richtige war. Von den Einschusslöchern in der Windschutzscheibe her zu urteilen, war es ein Wunder, dass keine vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmer getroffen worden waren.
    Ein geschäftiger Dexter sollte ein glücklicher Dexter sein, und im Auto und auf dem umgebenden Asphalt fand sich genug widerliches, getrocknetes Blut, um mich für Stunden zu beschäftigen, doch es überrascht nicht, dass ich trotzdem nicht glücklich war. Mir waren so viele grässliche Dinge zugestoßen, und dazu kam nun noch das Zerwürfnis mit Debs. Korrekterweise konnte man nicht wirklich behaupten, dass ich Deborah liebte, da ich zu Liebe nicht fähig bin, doch ich war an sie gewöhnt, und ich zog es vor, wenn sie bei mir und einigermaßen zufrieden mit mir war.
    Abgesehen von einigen gewöhnlichen Zankereien unter Geschwistern in unserer Kindheit hatten Deborah und ich uns noch nie ernsthaft gestritten, und ich war ein wenig überrascht, als ich feststellte, wie viel es mir ausmachte. Trotz der Tatsache, dass ich ein seelenloses Ungeheuer bin und das Morden genieße, tat es mir weh, dass sie so von mir dachte, insbesondere, da ich ihr mein Ehrenwort als Oger gegeben hatte, unschuldig zu sein, zumindest in diesem Fall.
    Ich wollte mich mit meiner Schwester vertragen, doch gleichzeitig nahm ich es ihr ein wenig übel, dass sie von ihrer Rolle als Vertreterin der geballten Macht des Gesetzes ein bisschen zu begeistert schien und nicht sonderlich gewillt war, als meine Kameradin und Vertraute zu fungieren.
    Natürlich fand ich es sinnvoll, meine vollkommen gerechte Empörung daran zu verschwenden, denn schließlich gab es zu diesem Zeitpunkt absolut nichts anderes, das meine Aufmerksamkeit verlangte – Dinge wie Hochzeiten, rätselhafte Musik und verschwundene Passagiere regeln sich schließlich immer von selbst, nicht wahr? Und

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