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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Blutspurenanalyse ist ein simples Handwerk, das nur minimale Konzentration verlangt. Um das zu beweisen, ließ ich meine Gedanken schweifen, während ich geistig in meinem traurigen Zustand schwelgte, und darum glitt ich in dem geronnenen Blut aus und landete mit einem Knie auf dem Asphalt neben dem BMW .
    Der Schock des Aufpralls fand augenblicklich sein Echo in einem inneren Schock. Ein Schwall aus Angst und eisiger Luft durchfuhr mich, stieg von der schrecklich klebrigen Masse direkt in mein leeres Ich auf, und es dauerte einen Moment, ehe ich wieder Luft bekam. Ruhig, Dexter, dachte ich. Das ist nur eine kleine schmerzliche Erinnerung daran, was du bist und woher du stammst, eine Folge des Stresses. Es hat nichts mit dem opernhaften Schlachtvieh zu tun.
    Es gelang mir, mich ohne ein Wimmern zu erheben, doch meine Hose war zerrissen, mein Knie schmerzte, und ein Hosenbein war mit dem widerlichen halbgetrockneten Blut verschmiert.
    Ehrlich, ich mag kein Blut. Und es beim Hinuntersehen an meiner Kleidung zu entdecken, wo es mich tatsächlich
berührte
, noch zusätzlich zu dem Durcheinander, zu dem mein Leben geworden, und dem großen leeren, passagierlosen Loch, in das ich gefallen war – das Blut war das Sahnehäubchen. Das, was ich momentan fühlte, waren definitiv Emotionen, und sie waren nicht angenehm. Ich spürte, wie ich schauderte, und wollte schreien, doch gelang es mir mit Mühe, mich zusammenzureißen, mich zu säubern und weiterzumachen.
    Es ging mir nicht viel besser, doch ich überstand den Rest des Tages, indem ich in die Ersatzkleidung schlüpfte, die jeder kluge Blutspurenanalytiker stets bereithält, und schließlich war es Zeit, nach Hause zu fahren.
    Auf der Fahrt zu Rita hängte sich auf der Old Cutler ein kleiner roter Geo an meine Stoßstange und ließ sich nicht abschütteln. Ich sah in den Rückspiegel, konnte das Gesicht des Fahrers jedoch nicht erkennen, und ich fragte mich, ob ich irgendetwas getan hatte, dessen ich mir nicht bewusst war, um ihn oder sie zu verärgern. Ich war wirklich versucht, einfach auf die Bremse zu treten und es darauf ankommen zu lassen, doch war ich noch nicht so weit am Ende, dass ich glaubte, meinen Wagen zu verschrotten würde irgendetwas besser machen. Ich versuchte, das andere Auto zu ignorieren, nur ein weiterer dieser halb verrückten Fahrer Miamis mit rätselhaften, verborgenen Absichten.
    Doch er blieb dran, nur Zentimeter hinter mir, und ich begann mich zu fragen, wie diese Absichten wohl lauteten. Ich beschleunigte. Der Geo beschleunigte ebenfalls und blieb an meiner Stoßstange kleben.
    Ich bremste ab; ebenso der Geo.
    Ich wechselte über zwei Spuren und hinterließ in meinem Fahrwasser ein aufgebrachtes Hupkonzert und erhobene Mittelfinger. Der Geo folgte mir.
    Wer war das? Was wollten sie von mir? Bestand die Möglichkeit, dass Starzak wusste, wer ihn überfallen hatte, und mir nun in einem anderen Wagen folgte, entschlossen, sich an mir zu rächen? Oder war es diesmal jemand anders – und falls ja, wer? Warum? Ich konnte mich nicht zu der Überzeugung durchringen, dass Moloch den Wagen hinter mir fuhr. Wie sollte ein alter Gott an eine Fahrerlaubnis gelangen? Doch da hinten war jemand, der eindeutig vorhatte, mich eine Weile zu begleiten, und ich hatte keine Ahnung, wer. Ich suchte krampfhaft nach einer Antwort, griff nach etwas, das nicht länger hier war, und das Gefühl von Verlust und Leere verstärkte meine Unsicherheit, meinen Zorn und mein Unbehagen. Ich bemerkte, dass ich den Atem zischend durch die zusammengebissenen Zähne einsog und ausstieß, meine Hände das Lenkrad umklammerten und von einem kühlen Schweißfilm bedeckt waren, und ich dachte, jetzt reicht’s.
    Und als ich geistig so weit war, auf die Bremse zu steigen, aus dem Auto zu springen und das Gesicht des anderen Fahrers zu rotem Brei zu schlagen, löste sich der rote Geo plötzlich von meiner Stoßstange und bog rechts ab, verschwand in einer Seitenstraße im nächtlichen Miami.
    Letzten Endes war überhaupt nichts gewesen, nur eine vollkommen normale kleine Stoßzeit-Psychose. Ein weiterer durchschnittlicher, durchgeknallter Fahrer Miamis, der die Langeweile der Heimfahrt bekämpfte, indem er mit dem Auto vor sich Fangen spielte.
    Und ich war nichts als ein verstörtes, angeschlagenes, paranoides ehemaliges Ungeheuer mit verkrampften Händen und knirschenden Zähnen.
    Ich fuhr nach Hause.
     
    Der Beschatter setzte sich ab. Mittlerweile bewegte er sich unsichtbar für

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