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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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den Anderen durch den Verkehr und bog erst lange nach dem Anderen in die Straße zu dessen Haus ein. Er hatte es genossen, ihn so dicht zu verfolgen und damit einen Anfall leichter Panik zu erzwingen. Er hatte den Anderen provoziert, um seine Bereitschaft zu ermessen, und was er festgestellt hatte, war sehr befriedigend. Es war ein sorgsam ausbalancierter Prozess, den Anderen in genau den richtigen Geisteszustand zu versetzen. Er hatte es schon viele Male zuvor getan, er kannte die Anzeichen. Schreckhaft, aber noch nicht am bröckelnden Abgrund, wo er sein musste, noch nicht.
    Es war eindeutig Zeit, die Angelegenheit zu beschleunigen.
    Diese Nacht würde etwas Besonderes werden.

[home]
    27
    A ls ich bei Rita eintraf, war das Abendessen fertig. Wenn man bedenkt, was ich durchgemacht hatte und wie ich darüber dachte, hätte man annehmen müssen, ich würde nie wieder etwas essen können. Doch als ich durch die Haustür trat, überfiel mich das Aroma; Rita hatte Schweinebraten gemacht, mit Brokkoli, Reis und Bohnen, und es gibt auf dieser Welt nur sehr wenige Dinge, die sich mit Ritas Schweinebraten messen können. Und darum war es ein relativ besänftigter Dexter, der endlich den Teller zurückschob und sich vom Tisch erhob. Und um ehrlich zu sein, der Rest des Abends verlief ähnlich tröstlich. Ich spielte mit Cody und Astor und anderen Kindern aus der Nachbarschaft Dosentreten, bis sie ins Bett mussten, und dann setzten Rita und ich uns aufs Sofa und schauten eine Serie mit einem mürrischen Arzt, ehe wir uns zur Nacht zurückzogen.
    Die Normalität war nicht nur schlecht, nicht mit Ritas Schweinebraten und Cody und Astor, um mein Interesse wachzuhalten. Vielleicht konnte ich indirekt durch sie leben, wie ein alter Baseballspieler, der Trainer wird, wenn seine aktive Zeit vorüber ist. Sie mussten so viel lernen, und indem ich sie unterrichtete, konnte ich meine verblassenden Tage des Ruhmes noch einmal durchleben. Traurig, sicher, doch wenigstens ein kleiner Ersatz.
    Und so trieb ich in den Schlaf, und obwohl ich es hätte besser wissen müssen, ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass die Dinge im Großen und Ganzen gar nicht so schlimm standen.
    Diese närrische Vorstellung hielt bis Mitternacht, als ich erwachte und Cody erblickte, der am Fuß des Betts stand. »Da draußen ist jemand«, sagte er.
    »In Ordnung«, sagte ich, noch immer halb im Schlaf und nicht im Geringsten neugierig, warum er glaubte, mir das mitteilen zu müssen.
    »Sie wollen rein«, sagte er.
    Ich setzte mich auf. »Wo?«, fragte ich.
    Cody drehte sich um und lief in den Flur, und ich folgte ihm. Halb war ich überzeugt, dass er nur einen Alptraum gehabt hatte, doch immerhin befanden wir uns in Miami, und solche Dinge passieren, obgleich nicht öfter als fünf- oder sechshundertmal in jeder beliebigen Nacht.
    Cody führte mich zur Hintertür in den Garten. Ungefähr zehn Schritte davor blieb er stocksteif stehen, und ich mit ihm.
    »Da«, sagte Cody leise.
    In der Tat, da. Es war kein Alptraum oder zumindest nicht die Art, bei der man schlafen musste, um ihn zu erleben.
    Der Türknauf bewegte sich, wackelte, als ob jemand dort draußen versuchte, ihn zu drehen.
    »Weck deine Mom«, wisperte ich Cody zu. »Sag ihr, sie soll 9-1-1 anrufen.« Er sah zu mir auf, als wäre er enttäuscht, weil ich nicht mit einer Handgranate durch die Tür stürmte und die Dinge persönlich regelte, doch dann drehte er sich um und ging den Flur zurück in Richtung Schlafzimmer.
    Ich näherte mich leise und vorsichtig der Tür. An der Wand daneben saß ein Schalter, der ein Flutlicht einschaltete, das den Garten erleuchtete. Als ich nach dem Schalter langte, hörte der Türknauf auf, sich zu drehen. Ich schaltete das Licht trotzdem ein.
    Unvermittelt, als hätte der Schalter es verursacht, begann jemand gegen die Haustür zu hämmern.
    Ich drehte mich um und rannte zur Vorderseite des Hauses – und auf halber Strecke trat Rita in den Flur und krachte gegen mich. »Dexter«, rief sie. »Was – Cody hat gesagt …«
    »Ruf die Polizei«, befahl ich. »Jemand versucht einzubrechen.« Ich sah an ihr vorbei zu Cody. »Hol deine Schwester und dann lauft ihr alle ins Badezimmer. Schließt die Tür ab.«
    »Aber wer sollte – wir sind nicht …«, stammelte Rita.
    »Los«, kommandierte ich und drängte mich an ihr vorbei zum Eingang.
    Erneut schaltete ich die Außenbeleuchtung ein, und erneut brach das Geräusch unvermittelt ab.
    Nur um am anderen Ende des Flurs

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