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Komm

Titel: Komm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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Kätzchens. Er hat sich nie in etwas verwickeln lassen. Passion ist Idiotie. Eine gute Politikerin, wie er immer sagt. Er ist mit dem richtigen Namen verheiratet. Sie ist die Macht, er ist der Intellekt. Das ist furchtbar trivial. Es macht das Leben einfacher. Besonders am Anfang. Er hat sich nie in etwas verwickeln lassen. Lulas Haut war weich wie ein Hamsterbauch. Sie sollte das auch nicht tun. Die richtigen Freunde überall.
    Es gibt Dinge, an denen man festhalten soll.
     
    Dreiundzwanzig.
    Irgendetwas an dieser Zahl stört ihn weiterhin. Er greift nach dem Manuskript und schlägt es kurz vor dem letzten Viertel auf.
    Eine Horde von Gewalttätern, zählt man die?
    Es muss irgendwo gegen Ende sein. Er liest einen Satz, eine Seite, will das Manuskript weglegen. Dergleichen stört ihn normalerweise nicht, aber plötzlich kann er die Worte nicht mehr ertragen. Als ob etwas fehlte. Wie Kleidung, in der kein Mensch steckt. Er zwingt sich weiterzulesen, aber seine Gedanken schweifen von den Sätzen ab.
    Es ist wichtig, die richtigen Freunde zu haben. Er kann keinen einzigen von ihnen ausstehen. Hat er nie gekonnt. Darauf kommt es nicht an. Mit den Dingen ist es genauso. Überall die richtigen Dinge.
    Plötzlich meint er zu wissen, was mit dem Manuskript nicht stimmt. Es ist zu spüren, dass die Geschichte, der Gedanke eine Kopie ist. Der Autor will voran. Und das merkt man. Sogar die Sprache ist eine Kopie. Nicht von Petra Vinters Sprache, sondern der Sprache des alltäglichen Journalismus. Die Kopie der Kopie der Kopie.
    Genau deswegen werden die Rezensenten Feuer fangen.
    Er lächelt.
    Die Erkennbarkeit.
    Kopien lieben Kopien.
    Er greift nach dem Aschenbecher an der Ecke des Schreibtischs, hebt ihn hoch und zielt auf die gegenüberliegende Wand. Was ist aus Lula geworden? Er ist schwer, aus dickem gewundenem Glas, von 1870 . Ein Geschenk seines Schwiegervaters, als er den Job bekam.
    Alles hat einen Preis.
    Er führt ein gutes Leben. Mehr als das. Wer möchte nicht in seiner Haut stecken?
    Alles hat seinen Preis.
     
    Ein Stück vom Ohr.
     
    Alles hat seinen Preis!
     
    Er stellt den Aschenbecher wieder auf den Tisch und drückt auf den Lautsprecherknopf des Telefons.
    »Vera, ich muss morgen nach Wien. Bin gegen neunzehn Uhr wieder im Lande. Wenn du zu Hause bist, gucke ich auf dem Weg mal vorbei, ja?«
    Der Anrufbeantworter stößt seinen Heulton aus, er legt auf.
     
    Der Autor hat ein hervorragendes Buch geschrieben.

XXI
    E in Fußgängerüberweg und drei Menschen. Frauen. Mädchen. Zwei schlugen auf die dritte ein. Die dritte stürzte. Sie traten auf sie ein. Dann sah er nichts mehr. Die Ampel schaltete auf Grün. Es war vor der Zeit der Mobiltelefone. Die eine sprang auf den Kopf der am Boden Liegenden.
    Der Christianshavns Torv ist mit Steinen gepflastert.
    Man hat keine Verantwortung für andere Menschen. Wer weiß, was sie getan hatte. Wenn sie gestorben wäre, hätte es in der Zeitung gestanden. Es stand nirgendwo. Und obwohl er die Zeitungen damals nicht sehr gründlich las, hätte er davon gehört. Oder?
    Warum jetzt daran denken? Es ist so lange her. Man kann für andere Menschen keine Verantwortung übernehmen. Was die Leute einander antun, geht andere Leute nichts an. Ihr Haar war blond, fast weiß. Leute, die man nicht kennt. Offenkundig gebleicht. Man kann nicht die ganze Welt retten. Wenn man sich vorstellt, was die Leute so alles anstellen. Der Schmutz auf den Pflastersteinen vermischte sich mit dem Blut. Wenn er an jenem Abend nicht genau zu dem Zeitpunkt auf dem Platz vorbeigekommen wäre, hätte er von dem Vorfall nichts geahnt. Wenn die Ampel nicht auf Rot gesprungen wäre. Oder war es umgekehrt, das Blut vermischte sich mit dem Haar und dem Schmutz auf den Pflastersteinen? Man sieht nicht viel, wenn man fährt. Man kann nicht die ganze Welt retten, man muss sich selber retten. Schmutzige, blaugraue Pflastersteine.
    Warum hielt er nicht an der nächsten Telefonzelle und rief die Polizei? Warum rief er sie nicht, als er zu Hause war?
    Die Frau damals hieß nicht Vera. Trotzdem war das nicht der Grund. Er war nur zwei, drei Stunden auf dem Heimweg bei ihr gewesen. Es war auch nicht Lula. Er hätte problemlos sagen können, dass er gerade aus dem Büro komme. Es war vor der Zeit mit Lula. Es war bloß einfacher, nichts zu sagen. Nicht wahr?
     
    Worüber denkt er hier eigentlich nach?
    Ist doch nicht seine Schuld, dass sich drei Frauen die Köpfe einschlagen.
    Ja, es waren zwei gegen eine.
    So

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