Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
eine Fähre ab.
Eigentlich hatte Hill allein sein wollen, da er nach dem Telefonat mit dem widerwärtigen jungen Mann in Idaho schlechte Laune hatte. Er wollte seinen Frust über die beklemmende Einsicht, dass ziemlich viele Menschen vollkommene Ekel waren und das auch bleiben würden, an niemand anderem auslassen.
Schon gar nicht an Susanna, die die Mutter des Reviers war. Ihr Mann war ebenfalls Polizeibeamter gewesen, hatte aber Probleme mit dem Rücken bekommen. Also eröffnete er ein Fitnessstudio, in dem er seine vom ständigen Sitzen schlappen Kollegen trainierte, während er gleichzeitig die dringend nötigen Übungen für seine Rückenmuskulatur absolvieren konnte.
Susanna hielt immer noch die Stellung auf dem Revier.
»Na denn los«, sagte sie leicht gestresst, als sie sich endlich neben ihn auf den Beifahrersitz fallen ließ.
Sie war etwas außer Atem, die Korridore waren lang, und außerdem hatte der Aufzug gestreikt.
»Danke, Susanna«, sagte Hill, »das ist nett, dass du so kurzfristig mitkommen konntest. Offenbar fand Joansson, dass ich eine Anstandsdame brauche.«
Langsam kam sie wieder zu Atem und musste lachen, dann wurde sie jedoch ernst: »Joakim, er hat Recht. Man weiß nie, was einen erwartet, und es heißt, vorbereitet zu sein. Wir arbeiten schließlich nicht in einem Kindergarten.«
Aus eigener, bitterer Erfahrung wusste Susanna, dass ein guter Partner und schnelles Reaktionsvermögen bei Gefahr Leben retten konnten. Sie hatte zwar inzwischen ein paar Kilo zugenommen – sie war die Erste, die das zugab –, aber an ihrer Beweglichkeit war trotzdem nichts auszusetzen. Auf der Hindernisbahn kam sie immer noch schnell genug vorwärts.
»Okay, dann fahren wir«, sagte Hill.
»Sure, chief«, antwortete sie und lächelte.
Gott, wie er das liebte, wenn Susanna lächelte!
Sie war ganze zehn Jahre älter als er und würde sich wohl bald über die Party zu ihrem Fünfzigsten Gedanken machen müssen. Außerdem war sie ausgesprochen glücklich verheiratet.
Aber darum ging es nicht. Sie hatte das fantastischste Lächeln, das er je gesehen hatte. Wenn sie lächelte, funkelten ihre Augen. Ja, die Sonne schien – auch wenn es in Strömen regnete.
Er war bereits deutlich besserer Laune, legte den ersten Gang ein und lenkte den zivilen Dienstwagen den Hügel hinauf in Richtung der belebten Straßen der Södercity.
Ihr eigentliches Ziel, Drottninghög, war nicht so schick wie das Hafenviertel, Södercity oder Kullagatan mit ihrem verführerischen Warenangebot.
Drottninghög war ein richtiges Wohnghetto, wie es sie mittlerweile überall gab. Groß- oder Kleinstadt, das spielte keine Rolle, alle hatte ihre Wohnghettos. Helsingborg hatte mehrere, und Drottninghög war eines von ihnen.
Hier lösten Mietskasernen aus deprimierenden braunen Ziegeln einander ab, die von verwilderten grünen Büschen umgeben wurden. Anonyme Fensterfassaden waren in die Ferne zu den besseren Vierteln hin ausgerichtet. Blumentöpfe und Rüschengardinen sollten in den Wohnungen so etwas wie Gemütlichkeit aufkommen lassen.
Langsam glitt der Wagen der Polizei zwischen den Häusern hindurch.
»Bieg hier ab, ich glaube, hier geht es zum Axhögsvägen«, meinte Susanne.
Als Streifenbeamtin war sie oft in dieser Gegend unterwegs gewesen, und er verließ sich bedingungslos auf sie.
VERMIETETER PARKPLATZ stand auf sämtlichen Schildern. Das war unpraktisch, wenn man in einem zivilen Wagen unterwegs war. Natürlich hätten sie ein Polizeischild in die Windschutzscheibe legen und irgendwo parken können, andererseits war es wenig wünschenswert, so auf sich aufmerksam zu machen.
»Welche Hausnummer war es noch?«, fragte Susanna.
»17 C.«
»Fahr noch ein Stück weiter, dann passt es schon.«
Er tat, was sie ihm geraten hatte, und ließ das Auto langsam zwischen die weißen Reviermarkierungen für Personenkraftwagen auf dem schwarzen Asphalt rollen. Es war still und fast beunruhigend unbelebt. Die Häuser waren nicht sonderlich hoch, die meisten hatten nicht mehr als zwei oder drei Stockwerke, und obwohl Hill nicht recht erklären konnte, warum, strömte das gesamte Viertel schon von weitem eine Atmosphäre von Guerillakrieg aus.
Als Susanne darauf bestand, dass er sich auf einen vermieteten Parkplatz stellte, widersprach er. Neben dem Platz hing ein Firmenschild.
»Das ist keine gute Idee«, meinte er, »die können jederzeit zurückkommen.«
»Das glaube ich kaum.«
Er sah sie fragend an.
»Auf dem Schild steht doch
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