Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
selbst.
Nicht unter winselnden Schoßhündchen wie jetzt.
»Wie sollen wir das eigentlich machen, Alexej?«, wollte sein Handlanger wissen und störte seine herrlichen Visionen mit seinem dummen Gerede.
»Schnauze!«, fauchte er, und man gehorchte ihm, immer.
Nicht weil das nötig gewesen wäre, aber das war eine gute Übung für ihn, Befehle zu geben, und ein guter Drill für seine Männer, blind seinen Anweisungen zu folgen.
Er lehnte sich im Sessel zurück, drehte sich halb um und genoss das knarrende Geräusch der gediegenen Lederpolster.
Nein, vermutlich war sein Aufenthalt hier wirklich ein notwendiges Übel. Es wäre ihm sicherlich nicht halb so leicht gefallen, seine jetzige Position zu erreichen, wenn er geblieben wäre und sich mit den alten, urrussischen Bären direkt geprügelt hätte.
Stattdessen hatte er es vorgezogen, das Territorium der Nachbarn zu erforschen.
Bei den Nachbarn im Westen war alles ganz anders. Die kleinen Gangster in Lettland waren wie konfuse Hyänen. Ohne Schwierigkeiten hatte er ihnen russisches Zaumzeug übergestreift, und jetzt musste er sie nur noch gelegentlich scharf anblicken. Und dann natürlich noch ab und zu das eine oder andere Exempel statuieren.
Inzwischen erfüllten sie jeden seiner Wünsche.
Nicht einmal, als er ihnen befohlen hatte, ihren kleinen schäbigen Hinterhof zu verlassen und die Unschuld zu erobern, die sich so willig auf der anderen Seite der bodenlosen Tiefe der Ostsee ausbreitete, nicht einmal da wagten sie sich aufzulehnen.
Jetzt war sie vollständig besiegt. Hilflos festgenagelt und der Jagd ausgeliefert, die er hier zu betreiben gedachte.
Ja, seine neuen Jagdgründe waren wirklich außerordentlich jungfräulich.
Es war lachhaft, wie naiv und vollkommen unschuldig dieses Gemeinwesen funktionierte. »Willkommen in Schweden«, müsste eigentlich auf großen Schildern an der Grenze stehen, »willkommen und bedient Euch nach Herzens Lust!«
Und dann kommt da so ein Verrückter und außerdem noch einer derjenigen, die als Erste an das System angeschlossen worden waren, und glaubt, dass man Alexej Igorin einfach so an der Nase herumführen kann! Dass man ihn vor aller Augen ausplündern und dann noch damit durchkommen kann!
Aber er war hier der Chef, und er hatte blitzschnell reagiert und ein Exempel statuiert. Auf traditionelle Weise war das erste Blut vergossen worden.
»Kann das einer, können es noch mehr«, ließ sich jetzt sein mächtiger Bass vernehmen. »Wir können uns nicht einfach auf sie verlassen, sondern müssen jeden Einzelnen kontrollieren.«
Er nahm eine Hand voll gerösteter Erdnüsse aus der Schale auf dem rauchfarbenen Couchtisch und stopfte sie in den Mund, ehe er fortfuhr.
»Sie sind wie eine Meute hungriger Köter. Gierig und gefräßig. Aber wer die Hand seines Herrn beißt, muss getötet werden. So einfach ist das. Und wenn man nur einmal die Stimme erhebt, dann wird der Rest schon folgsam wie die Lämmer.«
Er bedeutete ihnen, das Zimmer zu verlassen, und sie beeilten sich, aus seinem gemütlichen Arbeitszimmer in dem geräumigen Haus in Limhamn zu verschwinden, um sich mit dem Auto zu ihrem eigenen, bedeutend schlichteren Stützpunkt in Eslöv zu begeben.
Alexej Vladimir Igorin hatte gesagt, was es zu sagen gab, und verließ sich nun darauf, dass sich die anderen um die Details kümmerten. Er achtete darauf, sich nie selbst seine manikürten Hände schmutzig zu machen.
Dazu hatte er seine drei Getreuen, Adrian, Bernard und Stoján.
Wer wie er selbst einen klugen Kopf besaß, kümmerte sich um die Planung und überließ die Schmutzarbeit seinen Vasallen.
Und wenn schon von Köpfen die Rede war, so war es wirklich betrüblich, wie wenig dieser Tankwart in Helsingborg im Kopf gehabt hatte. Und jetzt hatte er überhaupt keinen mehr!
Alexej lächelte bei dem Gedanken an seinen geglückten Scherz und stopfte sich noch eine Hand voll amerikanischer Erdnüsse mit mexikanischer Gewürzmischung in den Mund.
Das war auf jeden Fall etwas, was hier gut war! Man konnte fast überall westliche Lebensmittel bekommen und das zu vernünftigen Preisen. Denn Alexej Vladimir Igorin liebte beispielsweise Erdnüsse mit mexikanischer Gewürzmischung.
Bernard Valmera hingegen liebte an Schweden und der Welt des Westens überhaupt rein gar nichts. Das behauptete er jedenfalls vom ersten Tag seiner Ankunft an.
Sofort hatte er sich darüber beklagt, dass sie alle ihre bereits laufenden lukrativen Projekte in Riga aufgeben sollten, um
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