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Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Titel: Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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unmittelbar vor ihr. Krampfhaft umklammerte Miriam Davis die Tischkante. Sie hatte das Gefühl, als würde sie in einen schwindelnden Abgrund stürzen.
    „Was wollen Sie von mir?“ fragte sie mit bröckelnder Stimme.
    Inspektor Mervan räusperte sich. Das hübsche Mädchen mit dem blassen Gesicht und den ausdrucksvollen, dunklen Augen tat ihm leid. Er hatte keine Ahnung, daß sie aus der Erziehungsanstalt Trontham kam. Er hielt sie für eine Tochter aus gutem Hause.
    „Erschrecken Sie bitte nicht, Miß Davis“, murmelte -er hüstelnd. „Sie sind doch Miß Davis, nicht wahr?“
    „Ja, Sir.“
    „Wir haben eine schlechte Nachricht für Sie, Miß Davis. Ihre Freundin Dora Gibbon verunglückte an der Brücke, die über den Row Creek führt. Wir konnten sie nicht mehr retten. Sie ist tot.“
    Miriam Davis duckte sich wie unter einem vernichtenden Hieb. Ihr Herzschlag drohte auszusetzen. Sie war keiner Bewegung fähig. Wie gelähmt blieb sie am Tisch sitzen.
    Inspektor Mervan wechselte einen raschen Blick mit dem Sergeanten. Dann griff er behutsam nach den Schultern des erstarrten Mädchens.
    „Nehmen Sie es nicht so schwer“, meinte er tröstend. „Gehen Sie erst mal nach Hause. Wo wohnen Sie denn? Wir werden Sie mit dem Dienstwagen heimbringen.“
    Miriam Davis blickte verstört auf die beiden Beamten. Sie brachte kein Wort über die Lippen. Nur ihre Gedanken arbeiteten. Gehetzt liefen sie hinter der Stirn hin und her. Mühsam suchte sie nach einer unverfänglichen Adresse.
    „Ich wohne ... ich wohne . . . am Turas Way in Stepney. Es ist nicht weit von hier entfernt.“
    „Na gut“, sagte Inspektor Mervan kurz. „Kommen Sie mit! Wir bringen Sie nach Hause. Morgen früh werden wir dann weitersehen. Sie müssen uns dann einige Fragen beantworten, Miß Davis.“
    Miriam Davis blieb festgenagelt auf ihrem Stuhl sitzen. Nur nicht nach Trontham zurück, war ihr einziger Gedanke. Sie dürfen nicht erfahren, daß ich aus der Erziehungsanstalt durchbrannte. Ich muß Zeit gewinnen. Ich muß sie mit irgendeiner Ausrede täuschen. Schlagartig wurde ihr wieder bewußt, daß sie nun ganz alleine war. Dora Gibbon hatte sie verlassen. Was war ihr eigentlich zugestoßen? Wieso war sie verunglückt? Warum drückten sich die beiden Herren nicht genauer aus? Laut sagte sie: „Was ist mit meiner Freundin? Was geschah an dieser Brücke?“
    „Das erzählen wir Ihnen morgen“, sagte Inspektor Mervan ungeduldig. „Sie wissen doch, daß Dora Gibbon den Orchideen-Klub am Ruskin Wall besuchen wollte.“ „Ja, Sir“, stotterte Miriam Davis unsicher.
    „Kennen Sie einen gewissen Mr. Fingal?“
    Miriam Davis biß sich auf die Lippen.
    „Dem Namen nach, Sir“, würgte sie nach längerem Zögern hervor.
    „Nun gut. Es scheint, als hätte dieser Mr. Fingal Ihre Freundin in den Tod getrieben. Er hat nicht selbst Hand an sie gelegt. Er war noch nicht einmal persönlich hinter ihr her. Aber seine Helfershelfer scheinen Miß Gibbon so lange gehetzt zu haben, bis sie in ihrer Verzweiflung von der Brücke sprang. Aber kommen Sie nun endlich, Miß Davis. Haben Sie schon bezahlt?“
    „Ja“, stammelte Miriam Davis kläglich. Sie wechselte ständig die Farbe. Heiß und ungestüm schoß ihr das Blut zum Herzen. „Warten Sie einen Augenblick“, stieß sie heiser hervor. „Ich habe draußen in der Küche meinen Koffer abgestellt. Ich will ihn rasch holen.“
    Der verzweifelte Trick gelang. Die beiden Beamten ließen sie ahnungslos ziehen. Niemand ging hinter ihr her. Als sie draußen im Flur stand, machte sie eine blitzschnelle Wendung und stürmte, wie von Furien gehetzt, auf die Seitentür zu. Schon eine Sekunde später war sie auf der Straße. Hastig atmend stürmte sie an der blauen Polizeilimousine vorüber. Sie drehte sich nicht mehr um. Sie lief, als ginge es um ihr Leben. Erst als sie eine weite Strecke hinter sich gebracht hatte, verlangsamte sie das Tempo. Sie war zum Umfallen müde. Ihr ganzer Körper zitterte vor Überanstrengung. Am liebsten hätte sie sich auf einer Haustreppe niedergelassen.
    Doch die Furcht vor der Polizei trieb sie weiter. Wohin jetzt, überlegte sie. Ich habe keinen Penny in der Tasche. Ich kenne niemanden in dieser Gegend. Wer wird mich aufnehmen. Wer hat heute schon noch Mitleid mit einem obdachlosen Geschöpf?
    Sie sah nirgends ein Licht. Ihr war zumute, wie einem herrenlosen Hund. Kalte Regenschauer trieben ihr eisig ins Gesicht. Dann blieb sie plötzlich stehen, als sie zur Rechten ein schmales

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