Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet
Sie denn so?“
Wachtmeister Offort machte kugelrunde Augen. „Das fragen Sie noch, Sir?“ brummte er verblüfft. „Sein Tod hat uns auf jeden Fall eine Menge Arbeit erspart. Wir werden nicht mehr hinter dem Orchideen - Klub herrennen müssen. Es wird keine Morde und Erpressungen mehr im Haus am Ruskin Wall geben. Sie können die Akte über den Fall schließen.“
„Meinen Sie?“ fragte Morry zögernd.
„Natürlich, Sir! Es ist uns doch bekannt, daß Antony Fingal seinerzeit die beiden Frauen in den Tod trieb. Er war auch für das tragische Ende Thomas Cooks verantwortlich. Oder sind Sie nun plötzlich anderer Meinung ?“
Kommissar Morry klappte mit einem energischen Ruck seine Akte zu.
„Die ganze Sache gefällt mir nicht, Offort“, murmelte er bedrückt. „Ich kann Ihnen sagen, warum. Lassen Sie uns einmal gemeinsam beraten: Ich halte Antony Fingal auch jetzt noch für einen Feigling, der immer andere vorschickte, um die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Sein Alibi im Mordfall Thomas Cook beweist, daß er es nicht selbst war, der Hand an den vermeintlichen Verräter legte. Auch aus den letzten Worten Dora Gibbons wissen wir, daß sie von zwei Fremden bis zur Brücke verfolgt wurde, aber nicht von Antony Fingal selbst. Nun passen Sie auf, Offort! Wenn Antony Fingal im Konstruktionsbüro der Raketenwerft in Rockfort eine Bombe legte, so tat er es sicher nicht freiwillig. Warum sollte er persönlich einen derart gefährlichen Auftrag übernehmen ?“
„Ich verstehe“, warf Wachtmeister Offort grübelnd ein. „Sie meinen Sir, daß er von einem anderen zu diesem Auftrag überredet wurde.“
„Nicht nur überredet“, lächelte Morry. „Er wurde dazu erpreßt. Wenn es aber so ist, dann war auch Antony Fingal wieder nur ein untergeordnetes Werkzeug in den Händen eines anderen.“
„Und wer ist dieser andere?“ fragte Wachtmeister Offort gespannt.
Kommissar Morry zuckte mit den Achseln. „Vielleicht ein fremder Agent. Vielleicht auch jemand vom Klub. Antony Fingal hätte es uns sagen können. Aber er ist tot. Deshalb verstehe ich ja Ihre Freude nicht. Er war nämlich der einzige, der uns zu seinem Hintermann hätte führen können. Nun plötzlich ist die Kette abgerissen. Wir müssen wieder ganz von vorn beginnen.“
„Ich kann Ihre Ansicht nicht ganz teilen, Sir“, sagte Wachtmeister Offort kopfschüttelnd. „Im Hause am Ruskin Wall werden sie froh sein, daß sie Antony Fingal los sind. Niemand wird sie in Zukunft mehr erpressen. Ich garantiere Ihnen, Sir, daß sich im Orchideen-Klub keine Verbrechen mehr ereignen werden.“ „Wir wollen es abwarten“, meinte Morry skeptisch. „Ich wollte, Sie hätten recht.“
Hätte Wachtmeister Offort am Abend einen Blick in das Klubgebäude am Ruskin Wall tun können, so hätte er sich wahrscheinlich stolz in die Brust geworfen. Denn alle Klubmitglieder waren hundertprozentig der gleichen Ansicht wie er. Sie alle feierten den Tod eines schäbigen Erpressers und schurkischen Mörders. Sie alle waren glücklich, daß ihnen das Schicksal selbst zu Hilfe gekommen war. Edward Fann hatte sich zur Feier des Tages in einen festlichen schwarzen Anzug geworfen. Sein Gesicht strahlte vor Erleichterung und Zufriedenheit.
„Ich glaube, meine Freunde“, sagte er fröhlich, „daß wir heute allen Anlaß zur Dankbarkeit haben. Wir sind noch einmal mit heiler Haut davongekommen. Die Polizei ließ uns bisher ungeschoren, und von Antony Fingal haben wir nichts Böses mehr zu erwarten. Ich werde selbst dafür sorgen, daß aus dem Orchideen-Klub wieder eine ehrbare Herrengesellschaft wird. Man soll uns nichts Schlechtes mehr nachsagen können.“
Ernest Barnham und Oliver Griffin waren ganz seiner Meinung. „Welch ein Glück“, meinten sie, „daß die Polizei Antony Fingal im Gelände der Raketenwerft fand. Er hat die Bombe selbst gelegt. Niemand von uns hat ihm dabei geholfen. Die Cops werden also glauben, daß er alle Anschläge und Sabotageakte allein machte. Sollte dennoch ein Verdacht an uns hängen bleiben, so werden wir alle Schuld auf Antony Fingal schieben.“ Gut so“, lobte Edward Fann. „Wenn wir alle dicht halten, wird uns nichts geschehen.“
Er ging ein paar Schritte im Beratungszimmer auf und ab. Dann wandte er sich plötzlich wieder der Tischrunde zu. „Morgen Abend“, sagte er, „werde ich die Klubbar persönlich von den billigen Mädchen säubern. Sie haben hier nichts mehr verloren. Sie sollen sich wieder dahin scheren, woher sie
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