Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet
ist“.
Er ging achselzuckend weg, um das Mädchen zu holen. Schon nach wenigen Sekunden kam Miriam Davis an seiner Seite in die Bar. Sie erbleichte, als sie Antony Fingal sah. Ängstlich und verstört wich sie vor ihm zurück.
„Kommen Sie mit!“ sagte der Glatzkopf gedämpft. „Wir müssen sofort weg.“
„Nein“, sagte Miriam Davis herb. „Ich gehe nicht mehr mit Ihnen. Sie können tun, was Sie wollen.“ Einen derart energischen Widerspruch hatte Antony Fingal nicht erwartet. Sein Gesicht verschloß sich zu einer starren Maske. Aus den tiefliegenden Augen schlugen schwelende Flammen.
„Sie können zwischen zwei Möglichkeiten wählen“, sagte er eindringlich. „Nämlich zwischen der Brücke, die über den Row Creek führt, und der Erziehungsanstalt Trontham. Wählen Sie.“
Miriam Davis blieb schweigsam. Sie reagierte nicht auf seine Worte. Stumm blickte sie auf den Boden nieder. Da versuchte es Antony Fingal mit der sanften Tour. „Machen Sie dieses eine Mal noch mit“, bat er geschmeidig. „Es ist wirklich das letzte Mal. Ich habe das alles selbst satt bis zum Hals. Ich werde mich schon morgen Nacht aus dem Staub machen. Dann sind Sie mich los. Dann können Sie wieder ruhig schlafen.“
Noch ehe sich Miriam Davis von ihrer Überraschung erholt hatte, schob er sie rasch dem Ausgang zu. Er gönnte ihr keine Atempause. Er ließ sie nicht zum Nachdenken kommen. Er schleppte sie zu seinem Auto und drängte sie gewaltsam auf den Vordersitz nieder. Dann schloß er die Tür hinter ihr ab und setzte sich an das Steuer.
„Wohin bringen Sie mich denn?“ fragte Miriam Davis unglücklich.
„Nach Rockford!“ sagte Antony Fingal tonlos. Seine Hände, die auf dem Steuerrad lagen, zitterten unaufhörlich. Ich habe den Auftrag“, fuhr er leise fort“, das
Konstruktionsbüro in die Luft zu jagen. Mir ist selbst nicht ganz wohl bei der Sache. Aber es muß nun einmal sein.“
Miriam Davis drehte sich um. Sie sah auf den Rücksitzen zwei mittelgroße Sprengkapseln liegen, die von einer Decke verhüllt waren. Fröstelnd schauerte sie zusammen. Eine eisige Angst kroch in ihr hoch. Verzweifelt mühte sie sich, die Tränen niederzukämpfen.
„Sie haben nicht viel zu tun“, plauderte' Antony Fingal weiter. „Sie werden hinter dem Kontrollturm III an der Umfassungsmauer stehenbleiben und auf meine Rückkehr warten. Das ist alles. Sollte uns ein Posten überraschen, so werden Sie sich eng an mich schmiegen. Wir müssen wie ein verliebtes Pärchen aussehen. Alles andere lassen Sie meine Sorge sein.“
Der Wagen fuhr in raschem Tempo auf Rockfond zu. Die kleine Ortschaft tauchte aus dem Zwielicht der verregneten Winternacht. Zur Linken schälte sich eine lange dunkle Mauer aus der Finsternis. Wie dünne Finger spielten die Scheinwerfer darüber hin. Antony Fingal steuerte den Wagen über morastiges Gelände und ließ ihn zwischen Buschwerk stehen. Er stieg aus, belud sich mit einer Sprengkapsel und schlich neben Miriam Davis auf die Umfassungsmauer zu. Es waren die gefährlichsten Sekunden des ganzen Unternehmens. Jeden Augenblick konnte ein Posten auf sie zukommen. Jeden Moment konnte sie eine Wache kontrollieren.
Unruhig huschten sie unter den weißen Scheinwerferstrahlen hindurch. Atemlos pirschten sie sich an die Mauer heran. Antony Fingal horchte. Dicht neben ihnen befand sich der Kontrollturm. Sie hörten oben auf der Plattform die Wachen hin und her gehen. Sie vernahmen deutlich ihr leises Geplauder. In einiger Entfernung schlug ein Wachhund an. Sicher streiften dort ein paar Patrouillenposten durchs Gelände.
„Sie bleiben hier“, zischte Antony Fingal erregt. „Rühren Sie sich nicht von der Stelle. Ich bin bald zurück!“
Miriam Davis sah ihm zu, wie er geschmeidig und katzenhaft über die hohe Mauer kletterte. Obwohl er die schwere Kapsel in der linken Armbeuge hielt, kam er wohlbehalten über die Zinne. Ein leiser Aufprall. Dann wieder Stille. Es war nichts mehr zu hören. Miriam Davis kroch furchtsam an die Mauer heran. Ihre Blicke schweiften gramvoll und dunkel über das öde Gelände. Sie sah zwei schattenhafte Gestalten, die über einen Graben sprangen und dann langsam auf sie zukamen. Es waren Uniformierte. Sie führten einen Hund an der Leine. Dann und wann blendeten sie eine Lampe auf und leuchteten die Wegstrecke ab. Miram Davis verkrampfte entsetzt die Hände über der Brust. War sie schon endeckt worden? Würde im nächsten Moment der helle Lichtkegel auf sie fallen? Was sollte
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