Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet
gekommen sind. Wir brauchen sie nicht mehr. Hier wird in Zukunft niemand mehr erpreßt werden.“
Auch diesmal fand er die begeisterte Zustimmung seiner Klubkameraden. Nun, da der drohende Schatten Antony Fingals über ihren Häuptern verschwunden war, fühlten sie sich auf einmal wieder ehrbar und rechtschaffen. Keiner wollte mehr daran denken, wie tief er selbst schon im Sumpf steckte. Sie alle wollten ihre schmutzige Vergangenheit vergessen.
„Ich erwarte“, meinte Edward Fann bedächtig, „morgen Abend den Besuch der Polizei. Wir wissen nichts von den Schurkentaten Antony Fingals, verstanden? Wir haben nie etwas von seinen Machenschaften geahnt. Ist das klar?“
„All right“, murmelte der Chor.
„Gut“, sagte Edward Fann. „So ist es richtig. Ich glaube, wir können vollkommen beruhigt in die Zukunft schauen.“
Er trank zum Abschluß des festlichen Tages noch einen Schoppen Wein, dann brach er plötzlich in aller Eile auf. „Ich habe meinen Wagen zu Hause gelassen“, erklärte er seinen Freunden. „Ich muß also zu Fuß gehen. Es ist eine ziemlich weite Strecke.“
Randolph Acton bot ihm an, ihn in seinem Wagen mitzunehmen. Auch Oliver Griffin machte den gleichen Vorschlag. Doch Edward Fann lehnte dankend ab. Er meinte, daß ihm die frische Nachtluft gut tun würde. Und, so fügte er hinzu, er habe während seines Heimwegs noch viel zu überlegen. So ließen sie ihn denn ziehen. Sie verabschiedeten sich von ihm in der fröhlichsten Laune. Er hörte sie noch lachen und scherzen, während er durch die Halle schritt. Dann trat er in die Nacht hinaus. Das dunkle Gewinkel des Ruskin Walls tat sich vor ihm auf. Zu beiden Seiten zogen sich die schwarzen Mauern hin. Dazwischen finstere Höfe, Mauerdurchbrüche und unzählige Winkel. Edward Fann schritt rasch aus, um die düstere Wegstrecke bald hinter sich zu haben. Es war so neblig, daß er kaum die Hand vor Augen sah. Hohl hallten seine Schritte über das Pflaster. Er traf keinen Passanten. Er war ganz allein.
In einem finsteren Winkel in der Nähe des Madras Viaducts faßte ihn plötzlich jemand an der Schulter. Der Ruck war so heftig, daß Edward Fann haltlos in den Mauerwinkel hineintappte.Erschrocken starrte er auf den Mann, der ihm so hinterhältig aufgelauert hatte.
„Was wollen Sie von mir?“ frage er keuchend. „Erklären Sie mir, was dieser üble Scherz zu bedeuten hat.“
Beklommen sah er in das Gesicht des Fremden. Er konnte es kaum erkennen. Ein breitrandiger Hut bedeckte die Stirn bis zu den Augen. Ein bunter Seidenschal hüllte die untere Hälfte des Gesichts ein. Es war kaum etwas zu erkennen als die lauernden, unstet flackernden Augen.
„Sie werden die Rolle Antony Fingals weiterspielen“, sagte der Fremde mit blecherner Stimme. „Sie werden alle seine Aufgaben übernehmen. Ihr Wort wird in Zukunft so viel gelten wie das seine. Haben wir uns verstanden?“
Edward Fann versuchte sich ächzend von dem harten Griff frei zu machen. Es gelang ihm nicht. Die Hände des anderen umklammerten ihn wie einen Schraubstock. Sie faßten roh und unbarmherzig zu.
„Ich werde das nicht tun“, stammelte Edward Fann verstört. „Ich könnte es auch gar nicht. Ich habe nicht die gemeine Art Antony Fingals. Ich würde mich schämen, wenn ich verängstigte Leute schamlos erpressen . . .“
„Sie haben schon mehr getan als das“, schnarrte der Fremde höhnisch. „Halten Sie es für nötig, daß ich Ihre bisherigen Verbrechen einzeln aufzähle? Da war zunächst die Sache mit den Geheimplänen, die Sie aus dem Tresor der Royal Navy stahlen und für bares Geld . . .“
„Hören Sie auf“, stöhnte Edward Fann gepeinigt. „Ich weiß selbst, wie tief ich mich in ein verbrecherisches Netz verstrickt habe. Aber nun soll es zu Ende sein. Ich will nicht mehr damit anfangen. Lieber würde ich den Tod wählen, als noch einmal . . .“
Der Griff des Fremden lockerte sich. Edward Fann starrte schaudernd auf seine breiten, behaarten Hände. Zwischen den wulstigen Fingern glaubte er eine gelbe Seidenschnur zu erkennen. Eine Schlinge mit einem harten, zweifachen Knoten. Dieser Anblick gab ihm den Rest. Er sank haltlos in sich zusammen. Sein Widerstand war gebrochen.
„Was muß ich tun?“ fragte er kläglich.
Er bekam ein paar schroffe Anweisungen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen. Er wagte nicht zu widersprechen. Er brachte überhaupt kein Wort mehr hervor. Und als er dann doch endlich etwas sagen wollte, war der Platz
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