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Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Titel: Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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sie sagen? Wie sollte sie sich herausreden? In fiebernder Erregung beobachtete sie die beiden Posten. Der Hund winselte leise vor sich hin. Er hatte ihre Nähe gewittert. Ein Lichtstrahl huschte dicht an ihr vorüber. Jetzt, dachte sie verstört. Jetzt ist es so weit! Sie werden mich auf der Stelle verhaften. Aber das Schicksal schien ihr gnädiger gesinnt als die Menschen. Sie wurde nicht entdeckt. Die Wachen gingen vorüber. Das Winseln des Hundes verstummte. Der Lichtstrahl entfernte sich. Drei Minuten noch dauerte die entsetzliche Ungewißheit und die beklemmende Angst, dann kehrte Antony Fingal zurück. Mit einem leisen Aufprall landete er neben ihr auf dem schmalen Weg.
    „Es hat geklappt“, flüsterte er. „Eine Kapsel ist völlig genug. Kommen Sie! Wir sind fertig.“
    Der Rückweg zur Landstraße verlief ohne Schwierigkeiten. Sie fuhren in einen Feldweg hinein und warteten.
    „Ich habe die Uhr auf sechs Minuten gestellt“, raunte Antony Fingal. „Es wird gleich losgehen! Seien Sie ohne Sorge. Auf diesem Weg sucht uns niemand. Wir brauchen nicht auf die Landstraße zurück. Wir können hier weiterfahren bis Reddenham.“
    Wieder dehnten sich die Minuten zu Ewigkeiten. Wieder starrten sie wie gebannt zu den Haviland Werken hinüber. Sie wagten kaum zu atmen.
    „Jetzt!“ murmelte Antony Fingal. „Jetzt ist es so weit! Halten Sie die Daumen, daß vom Konstruktionsbüro kein Stein auf dem ändern bleibt.“
    Miriam Davis duckte sich unter einem Baum. Jede Sekunde mußte die grelle Stichflamme in den Nachthimmel schießen. Aber es geschah nichts. Der Himmel blieb grau und dunkel. Von einer Explosion keine Spur. Drüben blieb alles still.
    Antony Fingal stierte verbissen auf seine Armbanduhr. „Es ist schon zwei Minuten über der Zeit“, murmelte er zwischen den Zähnen. „Ich kann das nicht verstehen. Sollte ich die Kapsel falsch angeschlossen haben?“
    Er wartete immer noch. Er wartete in verzehrender Ungeduld. Fünf, sechs, sieben Minuten lang starrte er auf die schwarze Mauer hinüber.
    „Verflucht!“ knurrte er enttäuscht. „Welch eine teuflische Pleite! Nun kann ich den Weg noch einmal machen. Kommen Sie mit!“
    „Nein“, sagte Miriam Davis fest entschlossen. „Diesmal nicht mehr. Wenn Sie mich zwingen wollen, schreie ich laut um Hilfe.“
    Sie sah gelbe Funken in seinen Augen tanzen und wußte, daß er sie am liebsten niedergeschlagen hätte. Furchtsam wich sie vor ihm zurück. Abwehrend streckte sie die Arme aus. Aber Antony Fingal hatte jetzt keine Zeit, sich mit ihr zu beschäftigen. Er kramte fluchend die zweite Sprengkapsel aus dem Wagen und hüllte seinen Mantel darüber. Seine Bewegungen waren fahrig und nervös. Er war selbst ziemlich am Ende. Seine Blicke flackerten wie die eines Irren. „Bleiben Sie hier am Wagen“, raunte er mit brüchiger Stimme. „Machen Sie keine Dummheiten! Es wird nicht lange dauern.“
    Langsam und schwerfällig trat er den gefährlichen Weg an. Er ging gebeugt. Seine Schuhe versanken in lehmigem Morast. Alle zehn Meter blieb er stehen. Angespannt witterte er nach allen Seiten. Wie eine Katze spähte er in die Dunkelheit. Er war fast selbst überrascht, daß alles so glatt ging. Kein Posten hielt ihn an. Kein Warnruf schreckte ihn auf. Kein Scheinwerfer bekam ihn zu fassen. Keuchend kletterte er ein zweites Mal über die Mauer. Diesmal dauerte es länger. Er war schon müde. Er brauchte fast fünf Minuten, bis er drüben im Werksgelände landete. Nervös duckte er sich vor den grellen Scheinwerfern. Hastig lief er auf das Konstruktionsbüro zu.
    Fünf Minuten noch, dachte er fiebernd. Wenn mir das Glück noch fünf Minuten treu bleibt, habe ich es geschafft. Er war noch sieben Schritte von dem Bürogebäude entfernt, da löste sich der längst fällige Zeitzünder aus. Die Sprengkapsel detonierte.
    Eine blendend weiße Stichflamme schoß zum Nachthimmel auf. Eine ungeheure Druckwelle fegte über den Hof. Sie fegte Antony Flingal wie eine Feder hinweg und schmetterte ihn krachend an die nächste Mauerwand. Die Alarmsirenen, die gleich darauf lärmend über das Werksgelände gellten, hörte er bereits nicht mehr. Miriam Davis war bei dem ohrenbetäubenden Knall entgeistert zusammengefahren. Ein furchtsamer Schrei brach von ihren Lippen. Verstört blickte sie zu dem rötlich erhellten Fabrikgelände hinüber. Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen.
    Jetzt, dachte sie, wird er gerade vor dem Konstruktionsbüro angekommen sein. Er wird nie mehr

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