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Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Titel: Kommissar Morry - Der Judas von Sodom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Lukin. „Dann weißt du es.“
    Seine Worte stimmten. Doris Kent war ein Mädchen von aparter und eigenwilliger Schönheit. Ihre Haare hatten jenes leuchtende Dunkelrot, das kein Friseur, sondern nur die Natur verleihen kann. Ihre Haut war weiß und glatt, die hellen Augen blickten sanft und etwas schwermütig.
    Als der Wagen vor einem grauen Kasten in Mile End hielt, sprang Doris Kent leichtfüßig aus dem Wagen.
    „Soll ich dir helfen?“ fragte Burt Lukin.
    „Nein, danke. Das ist nicht nötig“, rief Doris Kent über die Schulter zurück. „Ich bin gleich wieder da. In zwei Koffern bringe ich alles unter.“
    Sie kam wirklich bald wieder. Burt Lukin verstaute das Gepäck im Kofferraum. Dann wendete er den Wagen und fuhr die gleiche Strecke zurück, die sie gekommen waren. Erst als sie die Themse erreichten, bog er nach links ab. Er hielt auf das Wapping Basin zu. Es war so ziemlich die düsterste Ecke des ganzen Hafenviertels zwischen Shadwell und Limehouse. Auch das Wohnhaus sah nicht zum besten aus. Trostlos und brüchig und mit blinden Fenstern glotzte seine Fassade in die Nacht. Doris Kent blickte beklommen auf das alte Gebäude. Sekundenlang legte sich eine dumpfe Ahnung auf ihr Herz, als würde sie sich dunkel bewußt, was ihr hier bevorstand.
    „Innen sieht es schöner aus“, sagte Burt Lukin. „Weiterhin hast du den Vorteil, daß du dicht neben der Austern Bar wohnst. Du hast keine drei Minuten zu gehen.“
    Er nahm die beiden Koffer aus dem Wagen und schritt auf die Haustür zu. Viermal mußte er läuten, bis endlich eine alte Frau die Tür öffnete. Sie war schlampig gekleidet und machte den Eindruck, als wäre sie früher eine Kuppelmutter gewesen.
    „Ah, Mr. Lukin“, meckerte sie. „Haben Sie mir was mitgebracht? Ich könnte recht notwendig ein paar Röhrchen mit dem weißen Zeug brauchen.“
    Burt Lukin drückte der Alten rasch etwas in die Hand. Dann drehte er sich zu Doris Kent um. Vor ihr brauchte er keine Heimlichkeiten zu haben. Sie kannte seine Geschäfte. Sie hatte ihm sogar ein paarmal dabei geholfen.
    „Ich brauche ein schönes Zimmer“, sagte Burt Lukin zu dem liederlichen Frauenzimmer.
    „Sollen Sie haben, Mr. Lukin. Eine Hand wäscht die andere. Sie bekommen den schönsten Raum im ganzen Haus. Soll er für die junge Dame sein?“
    „Ja.“
    „Gut, gut“, meckerte die Alte. „Soll mir recht sein, Mr. Lukin. Werde nicht hinschauen, wenn die junge Dame nachts einen Kavalier mitbringt. Sie kann hier tun und lassen was sie will.“
    Doris Kent blickte sich fröstelnd um. Sie bereute es fast, sich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben. Die alte Frau gefiel ihr nicht. Auch das Haus war ihr unsympathisch. Vom Shadwell Basin wehten faulige Gerüche herüber. Die Nachbarhäuser sahen genauso verkommen aus wie das Wohnheim. Drei Minuten später stand Doris Kent neben Burt Lukin in dem Zimmer, das ihre neue Heimat werden sollte. Sie war angenehm überrascht. Es war ordentlich möbliert und mit allem Notwendigen versehen. Es gab eine Toilettennische, ein bequemes Ruhesofa und ein paar neue Polstersessel. Die Frau, die zuletzt in dieses Zimmer eingezogen war, hatte diese Möbel selbst mitgebracht. Jetzt war sie tot. Niemand wußte, wo sie geblieben war. Das Wasser der Themse hatte sie bis jetzt noch nicht freigegeben.
    „Gefällt es dir hier?“ fragte Burt Lukin mit verkrampftem Lächeln.
    „Ja“, sagte Doris Kent rasch atmend. „Es ist schöner als meine frühere Unterkunft. Ich glaube, ich werde mich hier recht wohlfühlen.“
    Sie packte ihre Koffer aus, hängte die Kleider und Mäntel säuberlich über die Bügel und brachte sie im Schrank unter. Ihre Wäsche verstaute sie in den Schubladen der Kommode. Dann war sie fertig. Sie wußte nicht mehr, womit sie sich beschäftigen sollte. Betreten und unruhig blickte sie Burt Lukin an.
    „Darf ich bleiben?“ fragte er mit dunkler Stimme.
    Doris Kent schloß die Augen. Die Worte aber schwebten noch immer im Raum. Sie umhüllten sie mit seltsam schwerer Zärtlichkeit. Sie konnte sich ihrer eindringlichen Wirkung kaum entziehen.
    „Darf ich bleiben?“ fragte Burt Lukin noch einmal.
    Es war seltsam, wie schwer es allen Frauen fiel, Burt Lukin mit nein zu antworten. Es ging eine unwiderstehliche, fast magische Kraft von ihm aus. Doris Kent öffnete die Augen. Sie ging zum Fenster und riß es weit auf. Kalte Nebelluft kam ins Zimmer. Sie wirkte ernüchternd. Die Illusionen zerstoben. Die Worte Burt Lukins hatten plötzlich keine

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