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Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Titel: Kommissar Morry - Der Judas von Sodom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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wie den anderen. Die Atemnot machte sie besinnungslos. Halb ohnmächtig vor Grauen und Entsetzen lag sie in den Armen ihres Mörders. Einmal noch kam sie kurz zur Besinnung: das war, als sie kopfüber in das nachtschwarze Wasser stürzte. Wären die Fluten nicht so eisig kalt gewesen, so hätte sie sich vielleicht immer noch retten können. Aber so hielt sie den neuerlichen Schock nicht mehr aus. Sie ging unter. Sie kam nicht mehr zum Vorschein. Es sollten Wochen vergehen, bis man sie fand. Burt Lukin aber, der starr auf das brodelnde Wasser blickte und erst allmählich aus seinem gespenstischen Rausch erwachte, ging ungerührt seines Weges. Zehn Meter kam er ungehindert vorwärts, dann stach plötzlich ein messerscharfer Lichtstrahl in sein verfallenes Gesicht. Es war ein blendender Schein, der ihm Tränen in die Augen trieb.
    „Guten Abend, Mr. Lukin“, sagte eine blecherne Stimme.

    9

    Am nächsten Abend schlürfte Chris Longman wie immer die ausgetretenen Stufen zum Bouil lonkeller in Wapping hinunter. Er sah am hintersten Tisch nur Buster Lorre sitzen, der langsam und genußvoll eine Erbsensuppe verzehrte. „Wo sind die ändern?“ fragte Chris Longman und reckte mißtrauisch seinen kahlen Totenschädel vor.
    „Weiß nicht“, brummte Buster Lorre kauend. „Sie waren gestern auch nicht da. Wollen anscheinend von unserem Verein nicht mehr viel wissen. Ich kann es ja auch verstehen. Das Zinken lohnt sich nicht mehr.“
    „Vielleicht hast du recht“, murmelte Chris Longman geistesabwesend. „Deshalb möchte ich ja auch mit dir reden. Es paßt gut, daß wir allein sind.“
    Buster Lorre legte den Löffel aus der Hand. „Du machst mich beinahe neugierig“, grunzte er. „Gibt’s was Neues?“
    Chris Longman straffte den eingesunkenen Brustkasten. Sein ausgezehrtes Gesicht erglühte in stolzem Triumph.
    „Ich weiß jetzt, wer der Mörder ist“, sagte er und betonte jede einzelne Silbe.
    Buster Lorre war so verblüfft, daß sich seine Haare sträubten. Aus kugelrunden Augen glotzte er Chris Longman an.
    „Sag das noch einmal“, brummte er.
    „Ich kenne den Mörder.“
    „Verdammt! Du machst doch hoffentlich keine faulen Witze? Wie heißt der Mann?“
    „Burt Lukin.“
    Buster Lorre ließ enttäuscht den Kopf sinken.
    „Welch ein Blödsinn“, schimpfte er verdrossen. „Das wissen wir doch schon. Aber erstens können wir dem Mann bis jetzt nichts nachweisen und zweitens habe ich diese fürchterliche Tracht noch nicht vergessen, die wir im Mulatten Klub ...“
    „Hör zu!“ zischelte Chris Longman mit gedämpfter Stimme. „Streng endlich einmal dein umnebeltes Hirn an. Merk dir genau, was ich dir jetzt sage: ich habe Burt Lukin gestern Nacht bei einem Mord überrascht. Es war am Sodom Wall, dicht hinter der Austern Bar. Ich hörte das Mädchen noch schreien. Ich hörte auch, wie sie ins Wasser stürzte. Leider konnte ich ihr nicht mehr helfen. Sie war schon untergegangen, als ich an die Stelle kam.“

„Weiter!“ keuchte Buster Lorre atemlos.
    „Ich sagte eben, daß ich das Mädchen nicht mehr retten konnte. Aber den Mann holte ich noch ein. Ich leuchtete ihm mit meiner Lampe mitten ins Gesicht. Er sah genauso aus, wie ihn der Steckbrief beschreibt. Ich sagte ,Guten Abend, Mr. Lukin1. Das war natürlich nur ein Bluff von mir. Ich wußte ja gar nicht genau, ob er wirklich Burt Lukin war. Aber sein Erschrecken bewies mir, daß ich ihn richtig in der Zange hatte. Zuerst glaubte er, ich wäre von der Polizei. Er rechnete mit seiner Verhaftung. Er kreuzte wortlos die Arme, um sich die Handschellen verpassen zu lassen. Als nichts dergleichen geschah, ergriff er plötzlich die Flucht. Ich blieb hinter ihm, ohne daß er es merkte. Er wohnt in einer alten Mietskaserne in Limehouse. Ich habe mir schon meine Gedanken darüber gemacht. Er könnte sich natürlich eine bessere Wohnung leisten, aber er will nicht auffallen. Unter vielen Mietsparteien fühlt er sich am sichersten.“
    „Verdammt!“ knurrte Buster Lorre strahlend. „Da wird der Kommissar aber Augen machen. Schätze, daß er dir freiwillig ein paar Lappen in die Hand drücken wird. Vielleicht kannst du auch gleich die Belohnung kassieren.“
    Chris Longman fuhr nervös mit beiden Händen auf der Tischplatte hin und her.
    „Ich glaube nicht, daß ich dem Kommissar etwas davon sagen werde“, meinte er zaudernd. „Er soll sich seinen Mörder selbst suchen. Für lumpige dreihundert Pfund verzinke ich niemand mehr.“ Buster Lorre riß die

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