Kommissar Morry - Der Judas von Sodom
wurde rot vor Grimm und Ärger. Deutlich malte sich mutlose Enttäuschung in seinen Zügen. „Sind Sie Ihrer Sache sicher?“ fragte er mit einem Rest von Zweifel.
„Durchaus, Sir! Ich war bereits in jenem Frauenwohnheim, wo Doris Kent seit Anfang dieser Woche ein Zimmer bewohnte. Sie ist seit vorgestern nicht mehr in das Wohnheim zurückgekehrt. Ihr Bett war unberührt. Niemand hat sie am gestrigen Tag gesehen.“
„Glauben Sie an Mord?“ fragte Morry gepreßt. „Ja, Kommissar. Leider muß ich das annehmen.“ „Und Sie konnten diesen Mord nicht verhindern?“
Angela Sirion hob bedauernd die Schultern. „Ich warnte sie noch, Sir! Ich schärfte ihr ein, sich auf keinen Fall mit einem neuen Freund einzulassen.“
„Und?“
„Sie hatte bereits einen Liebhaber. Sie kannte ihn seit einem Jahr. Diese Tatsache beruhigte mich. Mein Mißtrauen schwand.“
„Wissen Sie, wie dieser Mann hieß?“
„Nein, Sir!“
„Hat die Vermißte sein Aussehen beschrieben? „Nein, Sir!“
Morry begann mißmutig im Zimmer hin und her zu wandern. „So wissen Sie überhaupt nichts von diesem Mann?“
„Doch, Sir“, sagte Angela Sirion und kam ein paar Schritte näher. „Ich habe eine wichtige Einzelheit im Kopf behalten. Der Freund, von dem Doris Kent sprach, hat ihr das Engagement in der Austern Bar vermittelt. Man müßte also den Geschäftsführer dieser Bar nach jenem Mann fragen. Sicher kann er uns einen wichtigen Hinweis geben.“
Kommissar Morry blieb stehen. „Sie sind tüchtiger als ich dachte“, sagte er anerkennend. „Es ist der erste wirkliche Anhaltspunkt, den wir in diesem verdammten Fall haben. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Mitteilung.“
Das seltene Lob machte Angela Sirion iganz verwirrt. Sie wurde über und über rot. Ihre Blicke hingen wieder in schwärmerischer Verehrung an dem gebräunten Gesicht des Kommissars.
„Werden Sie heute Abend wieder in der Austern Bar sein, Sir?“ fragte sie erwartungsvoll.
„Vielleicht!“ brummte der Kommissar zerstreut.
„Ich habe“, sagte Angela Sirion, „wieder eine Karte für Sie. Erste Reihe. Sie sitzen unmittelbar vor der Bühne. Diesmal werden Sie mich sicher erkennen, nicht wahr?“
Sie legte die Karte auf den Schreibtisch und entfernte sich dann mit den steifen Schritten einer alten Bürovorsteherin. Für den Rest des Tages ließ sie sich nicht mehr blicken.
*
Abends um neun Uhr betrat Kommissar Morry in dienstlicher Mission die Austern Bar. Durch einen Seitengang gelangte er in das Büro des Geschäftsführers.
„Stewart Rabus“, stand außen an der Tür. Der Mann, der diesen unsympathischen Namen führte, sah auch dementsprechend aus. Er war klein und verkrümmt und besaß den hündischen Blick eines Heuchlers. Ein schwarzer Schnurrbart sproßte auf seiner Oberlippe. Das Gesicht war von kränklich fahler Farbe.
„Wir kennen uns, nicht wahr?“ begann Morry die erste Unterhaltung.
Stewart Rabus krümmte sich noch mehr zusammen. „Ja, Sir“, hüstelte er. „Seitdem dieser verfluchte Mörder wie ein Schatten unser Haus umkreist, sind die Detektive meine besten Gäste. Sie sitzen in der Bar, sie sind im Zuschauerraum und in der Garderobe — und dennoch geschieht ein Mord um den anderen. Jetzt wird auch Doris Kent vermißt. Ich weiß nicht, wie ich Ersatz für sie beschaffen soll. Kein vernünftiges Mädchen will mehr in diesem Hause arbeiten.“
„Sie erwähnten eben Doris Kent“, warf Morry hastig ein. „Bekamen Sie dieses Mädchen von einem Agenten angeboten? Oder spielte ein anderer den Vermittler?“
Stewart Rabus wurde sichtlich nervös. Scheu zog er den Kopf zwischen die eckigen Schultern. Schräg schielte er an dem Kommissar vorbei.
„Ich warte noch immer auf Ihre Antwort! Heraus mit der Sprache!“
„Ich stehe in verdammt schlechtem Licht da, wenn ich Ihnen das erzähle“, gestand Stewart Rabus kleinlaut. „Doris Kent wurde mir nämlich ausgerechnet im Mulatten Klub angeboten. Ich verkehre ab und zu in diesem Lokal. Ich weiß, Sir, es ist kein Ruhm. Aber was soll man machen? Ich brauche ab und zu etwas Betäubung. Das weiße Pulver hilft mir immer wieder auf die Beine. Und solange die Polizei diesen Laden nicht aushebt, kann auch unsereiner . . .“
„Reden Sie nicht lang herum! Wer brachte die Rede auf Doris Kent?“
Stewart Rabus überlegte eine Weile. Nervös zog er den dünnen Schnurrbart durch die Zähne.
„Das waren die beiden Dicken, glaube ich. Sie erzählten mir, daß Doris Kent eine
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