Kommissar Morry - Der Tod war schneller
ärgerte sich, als der Fremde in ihrer nächsten Nähe Platz nahm und lächelnd zu ihr herüber grüßte. Sie hielt ihn für aufdringlich und frech. Er war ihr anscheinend wieder einmal gefolgt. Es konnte kein Zufall sein, daß er jetzt um diese Stunde in Swansea auftauchte. Anscheinend arbeitet er nicht, sinnierte sie. Er bummelt den ganzen Tag herum und und läßt den Herrgott einen guten Mann sein. Während andere schwitzend ihr Brot verdienen, amüsiert er sich und stellt jungen Mädchen nach. Ach was, dachte sie schließlich mißvergnügt. Warum beschäftige ich mich überhaupt soviel mit ihm. Er ist es sicher gar nicht wert. Ich werde ihn in Zukunft keines Blickes mehr würdigen, sooft er mir auch, in die Quere kommt. Sie zahlte ihre Zeche, ging an den See hinunter und mietete sich ein Boot. Eine Stunde lang etwa ruderte sie auf dem blauen Wasser herum. Als sie schließlich in das Terrassencafe zurückkehrte, war die Sonne verschwunden. Eine drohende Wolkenwand zog von Westen her am Himmel auf. Heftige Windstöße zerrten an den Sonnenschirmen.
„Es wird ein Gewitter kommen, Madam", sagte ein Kellner besorgt. „Wenn Sie noch bleiben wollen, so kommen Sie bitte ins Haus. Hier wird es bald recht ungemütlich werden."
„Ich fahre heim", sagte Lana Gordon kurz entschlossen. Sie warf einen hastigen Blick auf die dunkle Wolkenmauer. Die Luft war plötzlich gelb wie Schwefel. Hohe Staubfontänen wirbelten über den Uferstrand. Und inmitten dieser übellaunigen Natur saß ungerührt der fremde Gast und blickte lächelnd zu ihr her. Er hatte anscheinend gar nicht gemerkt, wie schlagartig sich das Wetter verändert hatte. Er war ganz in ihren Anblick versunken.
„Ich fahre heim", sagte Lana Gordon noch einmal. „Vor Gewittern habe ich heiligen Respekt."
Sie verabschiedete sich in aller Eile und stieg an der Cafeausfahrt in ihren Wagen. Als sie den Schlag zuwarf, zuckte der erste Blitz über den dunklen Himmel. In feurigem Zickzack glühte er vor der Windschutzscheibe. Ein krachender Donner folgte. Heftig begann der Regen niederzuprasseln. Lana Gordon schaltete auf höchste Geschwindigkeit. Sie trachtete, möglichst rasch nach London zurückzukommen. Sooft der schwarze Himmel unter einem grellen Blitzstrahl auseinander klaffte, zuckte sie erschreckt zusammen. Sie fuhr noch rascher und duckte sich tief über das Steuerrad, um die flammenden Blitze nicht sehen zu müssen. Sie bog um eine Kurve, ungefähr mit achtzig Meilen Tempo. Und dann geschah es plötzlich. Unmittelbar vor ihr loderte ein Blitzstrahl, daß sie geblendet die Augen schloß. Sie verlor die Herrschaft über das Steuer. Der Wagen wurde aus der Kurve getragen. Die Räder rutschten auf dem nassen Asphalt. Der Zweisitzer kam ins Schleudern, taumelte die Böschung hinunter, überschlug sich und prallte an einen Baum. Lana Gordon würgte einen erstickten Schrei hervor. Sie war kaum noch bei klarer Besinnung. Sie sah Flammen aus dem Kühler züngeln. Jeden Moment konnte eine betäubende Explosion erfolgen. Giftige Schwaden strichen durch das Wageninnere. Sie nahmen ihr die Besinnung und lähmten ihre Gedanken. Halb ohnmächtig griff sie nach der Türklinke. Sie hatte keinen anderen Wunsch, als frische Luft zu atmen. Sie wollte den drohenden Gefahren entrinnen. Es mußte ihr gelingen, sich zu retten. Verzweifelt rüttelte sie an der Klinke. Es nützte nichts. Die Tür war verklemmt. Der Sturz über die Böschung hatte alle Metallteile verbeult und verbogen. Sie kam aus diesem Käfig nicht mehr heraus, der sie gefangen hielt zwischen erstickendem Qualm und gierig züngelndem Feuer. Sie spürte, wie die Flammen nach ihrem dünnen Sommerkleid griffen. Sie versuchte mit den Händen die gefräßigen Flammen zu ersticken. Verzweifelt schrie sie um Hilfe. Aber ihre Stimme hatte kaum noch Kraft. Kurz nachher verlor sie das Bewußtsein. Sie wußte nicht mehr, was mit ihr geschah. Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf einer weichen Wolldecke. Über ihr rauschten dichte Baumkronen und schüttelten die schweren Tropfen des Gewitterregens ab. Ringsum war nasses Gras. Ein fahles Dämmerlicht stahl sich durch die Bäume.
„Was ist?" fragte Lana Gordon erschreckt. „Wo bin ich? Was ist mit mir geschehen?"
„Sie hatten noch einmal Glück, Miß Gordon", sagte eine sympathische Männerstimme. „Ich kam zufällig hinter Ihnen her. Ich war kurz nach Ihnen vom Cafe weggefahren. Schon von weitem sah ich die Bescherung. Aus Ihrem Wagen schlugen helle Flammen. Ich konnte
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