Kommissar Morry - Der Tod war schneller
noch in letzter Sekunde die Tür aufreißen . . .
„Mein Gott!" stöhnte Lana Gordon entsetzt.
Erst jetzt erlebte sie noch einmal in furchtbarer Klarheit jene entsetzlichen Sekunden, die sie fast um den Verstand gebracht hätten. Sie versuchte, sich aufzurichten. Der junge Mann half ihr dabei. Erst jetzt erkannte sie ihn. Es war jener aufdringliche Mensch, der sie seit Tagen auf Schritt und Tritt verfolgt hatte. Er hielt sie behutsam umfaßt und geleitete sie sanft auf die Straße hinaus. Er brachte sie in seinem eigenen Wagen unter.
„Wie heißen Sie?" fragte Lana Gordon scheu.
„Albert Korda."
„Wie sonderbar, daß Sie immer in meiner Nähe sind."
„Na und? War es nicht gut so?"
„Doch", sagte Lana Gordon und biß die Zähne zusammen. „Ich muß Ihnen dankbar sein, Mister Korda. Sie kamen wie ein rettender Schutzengel."
Er schaltete den Motor ein und fuhr langsam ab.
„Machen Sie sich keine Sorgen um Ihren Wagen, Miß Gordon", sagte er lächelnd. „Er ist das Abschleppen nicht mehr wert. Wenn Sie gut versichert sind, bekommen sie einen neuen."
Lana Gordon erwiderte nichts darauf. Sie schielte heimlich zu ihm hin. Sie sah seine gebräunten Hände, die auf dem Steuerrad lagen, und sein markantes Gesicht, das sich undeutlich aus dem Dämmerdunkel abzeichnete.
„Woher kennen Sie mich eigentlich?" fragte sie nach einer Weile. Albert Korda lächelte wieder. „Ich sah Sie kürzlich einmal aus einer Villa in Westminster kommen. Da erlaubte ich mir denn, auf dem Glockenschild nachzusehen, welcher Familie Sie angehören. Ich war angenehm überrascht. Mister Stephan Gordon ist immerhin erster Direktor der Central Common Bank."
„Wie gut Sie orientiert sind", wunderte sich Lana Gordon. „Haben Sie nichts anderes zu tun als fremde Glockenschilder zu studieren?"
„Ich habe viel Zeit", sagte Albert Korda lässig. „Ich lungere den ganzen Tag zwischen Belgravia und Westminster herum."
„Haben Sie keinen Beruf?"
„Doch."
„Warum arbeiten Sie dann nicht?"
„Man hat mich vor kurzem entlassen."
„Ach? Wo waren Sie denn beschäftigt?"
„Bei einer Bank."
Lana Gordon wandte ihm überrascht ihr Gesicht zu. Sie wollte etwas sagen, aber dann verschwieg sie die Worte. Sie hätten ihn vielleicht gekränkt. Und sie war ihm doch zu Dank verpflichtet.
„Warum hat man Sie denn entlassen?" fragte sie gespannt.
„Ich weiß nicht, Miß Gordon. Ich habe weder geklaut noch unterschlagen. Man sagte mir nur, daß das Personal verringert werden müsse. Die ändern waren alt und saßen schon jahrzehntelang auf ihren Stühlen. Da war eben ich an der Reihe. Hm, so ist das gewesen."
„Vielleicht kann ich Ihnen helfen", sagte Lana Gordon hastig. „Sie haben ja auch soviel für mich getan." Der Wagen näherte sich den Außenbezirken. Das Gewitter war längst abgezogen. Es regnete nicht mehr. Aber zu beiden Seiten der Straße schwammen noch große Lachen. „Wie sehe ich denn überhaupt aus?" fragte Lana Gordon unruhig. „Es ist nur, damit meine Eltern nicht erschrecken. Vater ist immer gleich so aufgeregt."
„Es ist alles in Ordnung", versicherte ihr Albert Korda. „Sie müssen nur das Kleid wechseln. Es hat ein paar Brandflecken abbekommen. Die Strümpfe taugen auch nichts mehr. Das wäre alles, Miß Gordon. Sonst ist Ihnen nichts passiert."
Fünf Minuten später hielt der elegante Wagen Albert Kordas vor der herrschaftlichen Villa, die dem Bankdirektor Stephan Gordon gehörte. Das ganze Erdgeschoß war festlich erleuchtet. Heitere Melodien klangen aus den geöffneten Fenstern. Anscheinend war in den unteren Räumen ein frohes Sommerfest im Gange.
„Stellen Sie sich vor, wenn mir nun etwas passiert wäre", murmelte Lana Gordon beklommen. „Jetzt würde vielleicht gerade die schreckliche Nachricht eintreffen. Meine Eltern hätten die Unglücksbotschaft sicher nie verwunden."
„Darf ich mich morgen nach Ihrem Befinden erkundigen?" fragte Albert Korda höflich.
„Warum nicht?" sagte Lana Gordon errötend. „Kommen Sie bitte in den Abendstunden. Ich bin dann ganz bestimmt zu Hause."
Sie verabschiedete sich und huschte durch den weitläufigen Garten, betrat die Villa durch den Hintereingang und zog sich auf ihr Zimmer zurück, um sich in aller Eile umzukleiden. Als sie zehn Minuten später im großen Salon erschien, sah man ihr nichts mehr von den durchlebten Strapazen an. Sie erstrahlte in jugendlichem Charme
und Liebreiz. Sie war fröhlich und heiter gelaunt wie immer. Aber in einer stillen
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