Kommissar Morry - Dunkle Maechte
Fuß und sie blickte verlangend zu dem klaren Wasser hinüber. Plötzlich wurde das junge Mädchen von einem unbändigen Verlangen gepackt. Schnell streifte sie sich Schuhe und Strümpfe ab und ging auf das Ufer zu. Behutsam hielt sie nun den einen Fuß ins Wasser, zuckte aber erschrocken zurück, die Flut schien ihr sehr kalt zu sein. Unwillkürlich schüttelte sie sich. Nach kurzem Zögern schritt sie beherzt weiter. Fröhlich tollte sie umher, schlug mit den Händen ins Wasser und wenn die Tropfen hoch auf spritzten, dann lachte sie, bis sie erschöpft von der Anstrengung, sich wieder dem Ufer zuwandte. In tiefen Zügen, die Hände hinter dem Nacken verschränkt, atmete sie die reine Waldluft ein.
Plötzlich zuckte sie zusammen. Hatte nicht in ihrer Nähe ein Ast geknackt? Unruhig blickte sie umher. Aber nein, sie schien sich geirrt zu haben. Langsam schritt sie auf das Gebüsch zu, wo sie ihre Schuhe abgestellt hatte. Eine unerklärliche Unruhe befiel sie auf einmal, und sie hatte das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Aber dennoch erspähte sie nicht die Augen des Unholds, der nur wenige Meter von ihr entfernt in einem Gebüsch hockte und sie gierig betrachtete. Als sich Mary Douglas die Strümpfe überstreifte, stöhnte der Mann gequält auf. Mit einem fast irren Lachen sprang er aus dem Gebüsch und fiel wie ein Raubtier über das vor Schreck wie gelähmte Mädchen her. Nur schwach wehrte sich Mary Douglas. Ein unfaßbares Staunen lag auf ihrem Antlitz, und als der Unhold sie mit einer brutalen Gebärde zu Boden schleuderte, faltete das Mädchen die Hände wie zum Gebet und flehte: „Bitte, lassen Sie mich leben . . ., ich flehe Sie an, haben Sie Erbarmen mit mir . . .“
Das waren ihre letzten Worte; ein erstickter Schrei kündete, daß der Mörder kein Mitleid mit seinem Opfer hatte. Der Bürgermeister der Ortschaft schritt mit einigen Arbeitern durch den Wald. „Hallo, Leute“, rief er zuweilen, „den Baum könnt ihr ankreiden. . . die anderen drei dort auch“, und so fuhr er eine Weile fort, bis er aufatmend erklärte: „Für heute ist es genug, morgen könnt ihr sie fällen.“
Plötzlich deutete einer der Männer auf eine alte sturmzerzauste Eiche und sagte: „Mit dem Baum ist auch nicht mehr viel los, Mister Burke, der könnte doch auch gleich umgelegt werden.“
„Ja, du hast recht“, erklärte der Bürgermeister von Lindley.
Der ältere Waldarbeiter näherte sich der riesigen Eiche, um sie anzukreiden, als er plötzlich wie erstarrt stehenblieb und entsetzt auf schrie: „Um Gottes willen, Herr Bürgermeister, kommen Sie schnell mal her, hier liegt ja...“
„Was ist denn?“ lachte der rundliche Jack Burke auf, „du stellst dich ja an, als hättest du den Leibhaftigen gesehen. Nun sag schon, was hast du entdeckt? Etwa eine Riesenschlange?“ Sein gesundes Lachen steckte auch die anderen Männer an, die sich mit ihm dem älteren Waldarbeiter näherten, der noch immer wie gebannt dastand. Als der Bürgermeister an seiner Seite stand, deutete er nur stumm zu einem Gebüsch hinüber und nun sah auch Jack Burke das junge Mädchen, das in einer merkwürdig verkrampften Haltung dalag. Ihre leblos weit aufgerissenen Augen und die zerrissene Kleidung sagten ihm, was hier geschehen war. Als er sich fast scheu der regungslos Daliegenden näherte, flüsterte er tonlos: „Das ist doch nicht möglich . . . um des Himmels willen“, und schon beugte er sich über das junge Mädchen, berührte mit zitternder Hand ihre Haut, wirbelte aber sofort zurück und stammelte: „Mary Douglas ist ermordet worden! ! Los!“ herrschte er einen der Arbeiter an, „lauf sofort zur Post und alarmiere die Polizei.“
Während der Waldarbeiter eilig davonstürmte, betrachtete Jack Burke mit scharfen Augen die Umgebung. „Seht euch doch einmal ein wenig um“, befahl er den Waldarbeitern, „vielleicht hält sich der Halunke noch in der Nähe auf.“
Bevor die Männer auseinandergingen, rief er ihnen noch zu: „Wo sind eigentlich die Schuhe des Mädchens, ich sehe sie nicht.“
Emsig machten sich die Arbeiter daran, sie zu suchen, sie zogen ihre Kreise immer größer, aber die Schuhe waren nicht zu finden. Wutentbrannt schrie später Inspektor Webb die Arbeiter an, als sie ihm Bericht erstatteten. „Zum Teufel, das war ein schwerer Fehler von euch, hier umherzustampfen. . . dadurch habt ihr mir die Spuren des Mörders verwischt.“
Mit dem Bürgermeister Burke war nicht gut Kirschen essen. Er war sich seiner
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