Kommissar Morry - Ich habe Angst
Schlafraum und in das Wohnzimmer führten. Harley Poole stand da und lauschte. Minutenlang horchte er angestrengt auf jedes Geräusch. Er witterte wie ein dressierter Jagdhund.
„Er ist nicht da", murmelte er dann. „Es ist alles in Ordnung. Diesmal wird die Rechnung Alban Lampards aufgehen."
Sie traten in das Wohnzimmer ein. Sie setzten sich so, daß sie die Tür genau im Blickfeld hatten. Harley Poole nahm seine Pistole aus der Tasche, lud sie durch und legte sie entsichert auf den Tisch. Dann blickten sie beide auf die Uhr. Es ging auf die fünfte Abendstunde zu. In zwanzig Minuten etwa würde Jack Havard hier ein treffen.
Der Tod hockte grau und düster im Zimmer. Er wartete auf Jack Havard. Er wollte ihm keine Chance gönnen. Es stand tausend zu eins gegen ihn. Selbst ein leibhaftiger Schutzengel hätte ihn diesmal kaum retten können.
„Was soll das?" brummte Harley Poole nervös, als das Telefon läutete. „He, was hat das zu bedeuten? Die Bekannten Jack Havards wissen doch alle, daß er um diese Zeit nicht zu Hause ist."
Steff Selby war der gleichen Meinung. Er äugte beklommen auf den schwarzen Kasten. Das schrille Klingeln ging ihm durch Mark und Bein. Ihm wurde übel. Sein Magen drehte sich um.
„Es wird Alban Lampard sein", meinte Harley Poole heiser. „Vielleicht will er uns warnen? He, sag doch ein Wort! Wäre doch möglich, daß wir hier in Gefahr sind. Er wird uns einen Wink geben wollen."
Noch immer schrillte die Glocke des Telefons. In regelmäßigen Abständen. Grell und schrill zerschnitt sie das lähmende Schweigen.
„Heb doch ab", zischte Harley Poole verstört.
Steff Selby tat es nur widerstrebend. Er spürte noch immer einen gewaltigen Druck in der Magengegend. Zaudernd griff er nach dem Hörer. Er sagte nichts. Er lauschte auf das monotone Raunen des Schwachstroms.
„Hallo?" klang da endlich eine Stimme auf. „Sind Sie selbst am Apparat, Mr. Havard?"
Steff Selby kannte diese Stimme nicht. Er wußte nicht, daß sie Kommissar Morry gehörte. Er wäre sonst wahrscheinlich Hals über Kopf aus der Wohnung gestürmt. So aber knurrte er nur ein paar unfreundliche Worte in den Hörer.
„Falsch verbunden", sollte das heißen. „Lassen Sie mich in Ruhe!"
„Wer war es?" fragte Harley Poole atemlos.
„Weiß nicht. Ist auch egal. Alban Lampard war es jedenfalls nicht."
Sie warteten wieder. Sie verfolgten die Zeiger der Uhr. Ihre Blicke wichen nicht mehr vom Zifferblatt. Minute um Minute verging. Es wurde halb sechs Uhr. Dann endlich hörten sie ein Geräusch draußen vor der Wohnungstür. Ein Schlüssel sperrte. Schritte tappten in den Korridor. Irgend jemand ging auf das Wohnzimmer zu. Die Klinke bewegte sich. Ein leises Knarren ertönte. In diesem Moment brachte Harley Poole seine Pistole in Anschlag. Er richtete die Mündung auf die Tür. Er umkrampfte den Schaft. Sein Zeigefinger lag am Abzug. Die Tür flog auf. Sie schwang ganz nach innen. Jetzt hätte er schießen müssen. Aber er tat es nicht. Er sah niemand. Vor der Tür gähnte nur ein schwarzes Viereck.
„Kommen Sie heraus!" erklang eine schneidende Stimme. „Ergeben Sie sich!"
Harley Poole ließ unwillkürlich die Pistole sinken. Er wechselte einen verzweifelten Blick mit Steff Selby. Diesmal saßen sie in der Falle. Sie konnten sich nicht erklären, wie das geschehen war. Aber sie ahnten jedenfalls, daß ihre letzte Stunde in der Freiheit geschlagen hatte.
„Was jetzt?" flüsterte Steff Selby in würgendem Entsetzen. „Warum schießt du nicht? Wir könnten uns vielleicht bis zur Wohnungstür durchschlagen."
Harley Poole antwortete nicht. Er war schon immer langsam im Denken gewesen. Aber jetzt streikte sein Hirn völlig. Es brachte keinen vernünftigen Gedanken mehr zustande.
„Kommen Sie heraus! Ich zähle bis drei ..."
Harley Poole und Steff Selby rührten sich nicht vom Fleck. Sie hockten wie festgeleimt auf ihren Stühlen. Im nächsten Moment zersplitterte eine Kapsel neben ihnen. Sie wußten, was das leise Zischen zu bedeuten hatte. Es war Tränengas, das plötzlich in dichten Schwaden durchs Zimmer strich. Sie wurden beide blind. Sie sahen nichts mehr. Ihre Augen quollen über von Tränen. Sie hielten es einfach nicht mehr aus in dem gualmenden Zimmer. Sie trotteten in den Flur hinaus und ließen sich die Handschellen anlegen. Sie redeten kein Wort dabei.
„Liefern Sie diese Schurken rasch und sicher ins Gefängnis ein", befahl Kommissar Morry seinen baumlangen Begleitern. „Es sind zwei Mörder,
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