Kommissar Morry - Ich habe Angst
Stimmengemurmel war ihm nicht entgangen. Sie kommen, dachte er entgeistert. Sie holen mich ab. Sie ziehen den Schlußstrich. Jetzt bleiben nur noch die dreizehn Stufen zum Galgen.
Er starrte auf die Klinke. Er hatte nicht die Kraft, .Herein' zu rufen. Er war unfähig, auch nur einen Schritt zu tun. Als sich die Tür öffnete, jagte ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Er verkrampfte die Hände. Er hiß die Zähne zusammen. Dabei waren es nur Harley Poole und Steff Selby, die in sein Zimmer traten. Sie blickten überrascht auf die gepackten Taschen. Sie sahen sich verstohlen in dem öden Zimmer um.
„Wollen Sie etwa schon wieder ausziehen?" fragte Harley Poole grinsend. „Sie sind doch eben erst gekommen."
„Euch wird das Lachen auch noch vergehen", zischte Alban Lampard gereizt. „Die Cops haben Edward Brandon verhaftet. Ich bekam heute Vormittag Wind davon. Wißt ihr, was diese Verhaftung bedeutet?"
Harley Poole und Steff Selby machten hölzerne Gesichter. Sie glotzten ihren Chef fassungslos an. Der plötzliche Schreck war ihnen jäh in die Glieder gefahren.
„Wißt ihr, was das bedeutet?" fragte Alban Lampard noch einmal mit schleppender Stimme. „Ihr kennt doch Edward Brandon, he? Er ist ein schlapper Bursche, sage ich euch. Ein Waschlappen, der sofort weich wird. Er hat uns längst verpfiffen. Auch eure Steckbriefe werden demnächst von den Anschlagsäulen leuchten.“
„Nur Sie bleiben ungeschoren, Sir", knurrte Steff Selby gehässig. „Kein Mensch kennt Ihre Beschreibung. Sie waren noch nie vorbestraft. Sie können sich auch in Zukunft stolz auf allen Straßen sehen lassen. Sie haben ja auch nichts Schlechtes getan. Wir sind die Schurken, die zur Hölle fahren. Hinter uns sind die Cops her. Ihnen wird niemand ein Haar krümmen, Sir."
Alban Lampard machte eine müde Handbewegung. Er hatte viel von seiner Überheblichkeit verloren. Im Moment wirkte er weder brutal noch hochmütig.
„Habt ihr eure Wohnung in Bromley aufgegeben?" fragte er.
„Jawohl, Sir!"
„Ihr kehrt auch nie wieder dorthin zurück. Verstanden?"
„Jawohl, Sir!"
Die beiden blickten sich an. Sie sahen einander in die verschlagenen Augen. Sie dachten beide das gleiche. Es geht zu Ende, sinnierten sie. Vielleicht in dieser Woche, vielleicht in der nächsten. Aber es ist bald Schluß. Man spürt es. Dieser Mann ist nur noch ein Zerrbild von einst.
„Wo werden Sie Ihre neue Wohnung nehmen?" fragte Harley Poole gleichgültig.
„Ihr werdet die Adresse rechtzeitig erfahren", knurrte Alban Lampard verschlossen. „Im Moment gibt es viel Wichtigeres zu besprechen. Ich habe einen neuen Auftrag für euch."
„Einen Auftrag, Sir?"
„Hm", murmelte Alban Lampard und brütete dumpf vor sich hin. „Ich möchte noch mit einem Mann abrechnen, der sich bisher immer glücklich aus der Schlinge zog. Ihr wißt, wen ich meine."
„Jack Havard, Sir?"
„Ja, ich rede von Jack Havard. Er ist an allem schuld. Er hat die Polizei auf unsere Spuren gehetzt. Er hat Lydia Blomfield solange ausgehorcht, bis sie ihm ihr Geheimnis verriet."
„Wo finden wir den Mann, Sir?" fragte Harley Poole.
Alban Lampard drückte ihnen einen Zettel in die Hand. „Hier ist seine Adresse. Er weiß nicht, daß wir seine neue Wohnung kennen. Diesmal hat ihn niemand gewarnt. Er wird morgen Abend ahnungslos von seinem Büro heimkehren."
„Was sollen wir tun?"
„Ich sagte es doch schon. Er ist völlig ahnungslos. Er weiß nicht, daß ihr in seiner Wohnung auf ihn warten werdet. Sobald er das Wohnzimmer betritt, knallt es. Rede ich deutlich genug? Oder muß ich es euch noch näher erklären?"
„Nicht nötig, Sir!" brummte Harley Poole. „Wir werden das für Sie erledigen. Sonst noch etwas?"
„No", brummte Alban Lampard. „Das wäre alles."
Sie trennten sich. Harley Poole und Steff Selby schlugen die Tür hinter sich zu und polterten laut die Treppe hinunter. Alban Lampard aber blieb brütend in seinem Zimmer zurück. Eine düstere Ahnung zerrte an seinen Nerven. Dabei wußte er doch gar nicht, daß er Harley Poole und Steff Selby nie Wiedersehen würde. Die beiden Handlanger machten sich am nächsten Nachmittag um vier Uhr auf den Weg. Sie betraten das moderne Appartementhaus, in dem Jack Havard seit der Zerstörung seiner alten Wohnung lebte. Sie stiegen die Treppe hinauf und hielten vor seiner Tür an. Sie öffneten das Schloß mit einem Sperrhaken. Vorsichtig drangen sie in den engen Flur ein. Es gab nur drei Türen, die in die winzige Küche, den
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