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Kommissar Morry - Ich habe Angst

Kommissar Morry - Ich habe Angst

Titel: Kommissar Morry - Ich habe Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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ihr je gelingen, einen Mann wie Alban Lampard zu überlisten? Sie trat an den Schreibtisch des Büros. Sie nahm den Hörer in die zitternde Hand. Sie meldete sich.
    „Hier ist Alban Lampard", klang eine blecherne Stimme durch den Draht. „Wie sieht es in Averon aus, Miß Harras? Was macht John Luffman? Er wird Sie doch nicht etwa heiraten wollen?“
    Wie Esther Harras diesen höhnischen Ton haßte! Sie biß die Zähne zusammen. Sie überwand mühsam ihre Schwäche. Sie raffte sich auf.
    „Sie müssen heute noch hierher kommen, Mr. Lampard", brummelte sie. „Ich kann am Telefon nicht so sprechen, wie ich will. Aber es ist dringend, glauben Sie mir. Ich brauche Ihren Rat. Ich kann mir allein nicht mehr helfen."
    „Was ist denn?" forschte Alban Lampard ruhig.
    „Ich kann Ihnen das jetzt nicht erklären. Kommen Sie bitte! Ich muß mit Ihnen persönlich sprechen."
    Stille in der Leitung. Die Antwort ließ lange auf sich warten. Alban Lampard schien sich zu besinnen. Er war in der letzten Zeit verdammt argwöhnisch geworden. Er horchte dem Klang ihrer Worte nach. Hatte sie gelogen? Oder sprach sie die Wahrheit?
    „Gut", sagte er endlich. „Ich werde mit dem Wagen kommen. Der Zug ist mir nicht mehr sicher genug. Wir werden uns um elf Uhr am Bahnhof treffen. Ich erinnere mich, daß da eine Grünanlage ist. Dort erwarten Sie mich. Verstanden?"
    „Ja", hauchte Esther Harras nervös und warf den Hörer hin, als hätte sie sich verbrannt. Sie lief in gehetzter Eile aus dem Haus. Sie stürmte auf den Bahnhof zu. Alles in ihr fieberte nach Jack Havard. Er mußte ihr jetzt helfen. Für ihn hatte sie das alles getan. Nun durfte er sie in dieser schrecklichen Nacht nicht allein lassen. Als sie an die Sperre kam, lief gerade der Personenzug aus London ein. Fünfzehn, zwanzig Fahrgäste stiegen aus den Wagen. Sie trugen Koffer oder Aktentaschen. Langsam schritten sie über die Gleise der kleinen Station. Esther Harras erkannte Jack Havard sofort. Sie hätte ihn unter Tausenden herausgefunden. Er war eben einmalig. Für sie war er überhaupt der einzige Mann. Er trug einen eleganten Reisemantel, einen
    grauen Hut und eine gelbe Ledertasche. Sein Gesicht war gebräunt und furchtlos. Seine Augen lächelten, als er sie sah. Mein Gott, dachte Esther Harras glücklich. Eigentlich müßte ich ihm jetzt um den Hals fallen. Aber das geht wohl nicht vor den vielen Leuten. Ich muß noch warten. Irgendwann einmal wird es soweit sein.
    So reichte sie Jack Havard nur die Hand und ging eng neben ihm her. Sie wanderten auf die kleine Stadt zu. Sie hielten vor einem Gasthof an.
    „Ich habe Angst", sagte Esther Harras unvermittelt. „Ich habe schreckliche Angst, Mr. Havard."
    „Warum?" fragte er betroffen.
    „Alban Lampard wird heute nacht kommen. Ich soll ihn am Bahnhof erwarten. Um elf Uhr. An der Grünanlage. Ich habe ihn absichtlich hierhergelockt, wie Sie es wünschten."
    „Mein Gott", stammelte Jack Havard in freudiger Überraschung. „Das nenne ich einen Glückstreffer. Ich muß mich nachher sofort mit Kommissar Morry in Verbindung setzen. Er ist hier. Er wartet schon lange auf diese Nachricht."
    Für Esther Harras war das kein Trost.
    „Und wenn nun etwas schief geht?" fragte sie furchtsam. „Wenn es nun nicht gelingt, Alban Lampard einzufangen! Dann weiß er, daß ich ihn verraten habe. Er wird furchtbare Rache an mir nehmen. Ich habe dann ein anderes Ende zu erwarten als Lydia Brandon."
    „Nein", sagte Jack Havard rasch. Ihnen wird nichts passieren. Ich werde heute Nacht ständig in Ihrer Nähe sein. Und auch der Kommissar ist da mit einem Dutzend Beamten. Sie sind völlig sicher, Miß Harras. Kein Mensch wird Ihnen etwas tun."

    26

    Es war kurz vor elf Uhr nachts. Durch die Straßen heulte ein schneidender Novemberwind. Ueber der kleinen Stadt ballten sich drohende Wolken zusammen. Jeden Moment konnte ein stürmischer Regen losbrechen.
    Esther Harras ging zum Bahnhof. Sie kam nur langsam voran. Sie mußte sich gegen den Wind stemmen. Und sie mußte gegen ihre eigene Furcht ankämpfen.
    Die Füße wollten ihr kaum gehorchen. Sie klebten am Boden fest. Jeder Schritt bedeutete ihr eine ungeheure Anstrengung. Je näher sie dem Bahnhof kam, desto langsamer ging sie. Vor Esther Harras erkannte ihn schon von weitem. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Ihr Blut war plötzlich wie Eis, ihr ganzer Körper war gefühllos. Sie sah das teigige Gesicht, das in der Finsternis nur ein verschwommener Fleck war. Sie sah die stechenden Augen,

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